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Streit um Chinas Einfluss in Sambia

Wird die heutige Präsidentschaftswahl im Kupfergürtel entschieden?

Von Kristin Palitza, Kapstadt *

Wenn die Sambier heute (20. Sept.) ihren Präsidenten wählen, werden sie sich vor allem für oder gegen weitere umfangreiche chinesische Investitionen in ihrem Lande entscheiden.

Die Wochen des Wahlkampfes haben alle Zweifel ausgeräumt: Der gegenwärtige Präsident Rupiah Banda und seine Partei, die Bewegung für Mehrparteien-Demokratie (MMD), sind davon überzeugt, dass Sambia China brauche, um sein Wirtschaftswachstum zu sichern. Bandas härtester Rivale Michael Sata, Vorsitzender der größten Oppositionspartei Patriotische Front (PF), sieht das anders. Chinesische Investoren übernähmen die Macht in Sambia, indem sie dessen Bodenschätze und die Arbeiter ausbeuten, behauptet er.

Die chinesischen Investitionen in Sambia, Afrikas größtem Kupferproduzenten, erreichten 2010 eine Milliarde US-Dollar. Peking versprach, 15 000 Arbeitsplätze zu schaffen und im Verlaufe der nächsten Jahre weitere fünf Milliarden Dollar ins Land zu bringen. Fast der gesamte Betrag fließt in Sambias Kupferindustrie. Lediglich zehn Prozent der Investitionen kommen anderen Sektoren – Bauwesen, Landwirtschaft, Handel und Fertigungsindustrie – zugute.

Es ist verständlich, dass für die Regierung eines Staates, in dem fast zwei Drittel der 13 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze von 1,25 Dollar pro Tag leben, das Wirtschaftswachstum Vorrang hat. Die Wahlen am 20. September werden zeigen, ob die Sambier die Einschätzung des jüngsten Weltbank-Länderberichts teilen, wonach »Wirtschaftswachstum nicht zu signifikanter Minderung von Armut geführt hat«.

Obwohl zehn Parteien am Dienstag (20. Sept.) Präsidentschaftskandidaten zur Wahl stellen, wird es wohl um einen Wettstreit zwischen Banda und Sata gehen. Der Amtsinhaber, der auch seine Wahlkampagne mit Hilfe Chinas finanziert haben soll, ist in den vergangenen Wochen unermüdlich durchs Land gereist, um den Wählern »Stabilität, Sicherheit und Aufschwung« durch »das Zementieren unserer warmen und starken Beziehung« mit China zu versprechen. Das ist er dem Reich der Mitte schuldig: Als die Kupferpreise auf dem Weltmarkt Anfang 2009 aufgrund der Wirtschaftskrise drastisch sanken und westliche Bergbauunternehmen sich aus Sambia abzogen, mussten zahlreiche Minen geschlossen werden. Doch chinesische Investoren retteten den Sektor. 2010 war Sambias Kupferindustrie wieder wettbewerbsfähig und exportierte Metall für 5,2 Milliarden Euro. Damit trug diese Branche maßgeblich zum 7,6-prozentigen Wirtschaftswachstum im Vorjahr bei.

Bandas Kritiker behaupten allerdings, die Einnahmen kämen den Sambiern kaum zugute. Der Großteil der Profite verlasse das Land, statt in dringend notwendige Infrastruktur investiert zu werden. Chinesische Firmen werden außerdem beschuldigt, Umweltverordnungen und Arbeiterrechte zu ignorieren – während die Regierung ein Auge zudrücke. »Die Regierung erlaubt chinesischen Investoren, sich über Gesetze hinwegzusetzen. Die Korruption blüht. Wir haben die Kontrolle über unsere Bodenschätze verloren«, klagt Edward Lange, der Vorsitzende von Southern Africa Resource Watch Sambia.

Die oppositionelle Patriotische Front verspricht, die politische Begünstigung zu beenden. »Wir verlangen ein gerechtes Steuersystem für den Bergbausektor, um sicherzustellen, dass alle Bürger von ausländischen Direktinvestitionen profitieren«, sagt der Parteisprecher für Kommunalpolitik, Umwelt und Bauwesen, Given Lubinda.

Da Sambias Kupfergürtel als Hochburg der PF gilt, glaubt Lubinda, Sata werde die Stimmen zehntausender Bergbauarbeiter und ihrer Familien gewinnen, die über chinesische Minenbesitzer verärgert sind. Streiks gegen miserable Arbeitsbedingungen und Löhne haben bislang wenig Erfolg gezeigt. »Wir sind mit der wirtschaftspolitischen Situation unzufrieden«, bestätigte Charles Muchimba, Forschungsleiter der Sambischen Bergbauunion (MUZ).

Beobachter sagen ein spannendes Rennen ums Präsidentenamt voraus. Banda liegt laut Umfragen nur ein paar Prozentpunkte vor Sata. Das Ergebnis der Wahlen wird zeigen, ob Versprechen von Wirtschaftswachstum die Mehrheit der Sambier überzeugen können, Kontrolle über Bodenschätze für Arbeitsplätze einzutauschen, selbst wenn diese schlecht bezahlt sind.

* Aus: Neues Deutschland, 20. September 2011


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