Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Sambias weißer Ritter

Nach dem Tod von Staatschef Michael Sata hat Interimspräsident Guy Scott einen Machtkampf losgetreten

Von Christian Selz *

Guy Scott ist ein Freund klarer Worte. Den Alltag an der Eliteschule im damaligen Rhodesien, die der heute 70jährige einst selbst besucht hatte, verglich er im vergangenen Jahr wegen ihrer Ausgrenzung von Schwarzen mit den Verhältnissen in der Hitlerjugend. Die Regionalmacht Südafrika watschte der damalige Vizepräsident Sambias im gleichen Interview mit dem britischen Guardian als »in ihrer historischen Entwicklung sehr rückständig« ab. Seit Mittwoch vergangener Woche ist Scott Präsident seines Landes, das erste demokratisch legitimierte weiße Staatsoberhaupt auf dem afrikanischen Festland überhaupt. Der Sohn britischer Einwanderer folgt interimsweise auf den einen Tag zuvor gestorbenen Präsidenten Michael Sata und wird höchstens 90 Tage im Amt bleiben. Dann spätestens muss ein neuer Staatschef gewählt werden. Scott kann nicht kandidieren, so schreibt es die Verfassung vor, da seine direkten Vorfahren nicht »Sambier durch Geburt oder Abstammung« waren. Doch die Zeit, die ihm bleibt, versucht der streitbare Politiker offensichtlich zu nutzen, um in der regierenden Patriotic Front (PF) in seinem Sinne aufzuräumen.

Erstes Opfer des Scottschen Bannstrahls war am vergangenen Montag der mächtige Verteidigungsminister Edgar Lungu, den der Interimspräsident, ohne Gründe zu nennen, seines Posten des PF-Generalsekretärs enthob. Lungu, der derzeit auch als Justizminister amtiert, saß gerade zusammen mit Finanzminister Alexander Chikwanda und dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Lombe Chibesakunda, bei einem Gedenkgottesdienst für Sata in der Sankt-Ignatius-Kirche in der Hauptstadt Lusaka, als ihn die Nachricht seiner Demission erreichte. Es dürfte ihm auch ob der Nachbarn auf der Kirchenbank leichtgefallen sein, den ihm loyalen Parteiflügel zu mobilisieren. Noch am gleichen Abend lieferten sich Lungus Anhänger Straßenschlachten mit der Polizei, die dem Nachrichtenportal Zambian Watchdog zufolge mit dem Versuch scheiterte, Lungu festzunehmen. Barrikaden brannten, zunächst in Lusaka, später auch in weiteren Städten. Scott blieb nach einer eilig einberufenen Sitzung mit führenden Parteifunktionären und Ministern am Dienstag nichts anderes übrig, als seine Entscheidung noch am selben Tag zu revidieren und seinen Widersacher wieder als Generalsekretär der Partei zu installieren. Die offene Schlacht um die Führung in Partei und Staat war damit dennoch eröffnet.

In Sambias Zeitungen wird der Disput dieser Tage hauptsächlich als Flügelkampf um Positionen und Einfluss dargestellt. Programmatische Differenzen spielen in der Berichterstattung nahezu keine Rolle. Scott dürfte aber zumindest nicht Wunschkandidat der Bergbaukonzerne sein. Die internationalen Giganten, allen voran der in der Schweiz ansässige Rohstoffmulti Glencore, beuten Sambias riesige Kupfervorkommen aus, ohne dass das Land daraus größere Profite zieht. Im 2012 veröffentlichten Dokumentarfilm »Stealing Africa: How Much Profit is Fair?« kritisierte Scott geschönte Bilanzen und die Umgehung von Umweltrichtlinien. »Wir sind uns bewusst, dass Afrika durch Steuerhinterziehung ausländischer Unternehmen jedes Jahr mehr Geld verliert, als es in Hilfszahlungen von den Ländern bekommt, aus denen diese Leute kommen«, erklärte der damalige Vizepräsident. Wenn der knorrige Interimsstaatschef nun vom für den Kupfergürtel zuständigen Minister Mwenya Musenge verteidigt wird, dann spricht auch das für sein Ansehen in der Bergbauregion.

Im Flügelkampf in der PF stehen seine Chancen trotzdem nicht sonderlich gut. Lungu weiß die Traditionalisten auf seiner Seite, am Dienstag preschte stellvertretend der über das Distrikt Chipata im Osten des Landes herrschende Chief Madzimawe vor. Scotts Entscheidung, den Generalsekretär noch vor der Beerdigung Satas abzusetzen, brandmarkte dieser gegenüber dem Nachrichtenportal Lusaka Times als »unsambisch« und »unafrikanisch«. Die Agenda gegen den weißen Interimsstaatschef ist damit klar. Abzuwarten bleibt, wie Scott antwortet. Nach der für den kommenden Dienstag angesetzten Beerdigung Satas, so heißt es in der Mitteilung zu Lungus Rückkehr ins Amt des Generalsekretärs, soll das Zentralkomitee der PF tagen und den weiteren Kurs der Partei – und damit auch ihr Personal – festlegen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. November 2014


Zurück zur Sambia-Seite

Zurück zur Homepage