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Revolution im Land des Propheten

Saudischer König ernannte erste Vizeministerin des Wüstenreichs

Von Karin Leukefeld *

Mit einer umfangreichen Regierungsumbildung zum 1. März hat König Abdullah Hoffnungen auf einen politischen Wandel im erzkonservativen Saudi-Arabien geweckt. Zum ersten Mal übernimmt in der Heimat des Propheten Mohammed mit der neu ernannten stellvertretenden Bildungsministerin Nora bint Abdullah Al-Fayez eine Frau ein politisches Spitzenamt.

Die Regierungsumbildung in Saudi-Arabien soll nach Auskunft aus Regierungskreisen Bildungs- und Justizreformen vorantreiben. Neuer Bildungsminister wird Prinz Faisal bin Abdullah bin Mohammad, das Kultur- und Informationsministerium wird zukünftig vom bisherigen Botschafter in Libanon, Abdul Aziz bin Muhiyuddin Khoja, geführt. Justizminister Abdullah al-Asheikh wird fortan dem 150-köpfigen Shoura-Rat, einem beratenden Gremium für die Regierung, vorsitzen, sein Nachfolger wird Mohammed bin Abdul Kareem Al-Eissa. Der Arzt und international anerkannte Chirurg Dr. Abdullah bin Abdul Aziz Al-Rabeeah soll zukünftig das Gesundheitsministerium führen. Auch der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes wurde neu ernannt. Scheich Salah al-Lihedan, bisher Oberster Richter, hatte eine scharfe Kontroverse ausgelöst, als er öffentlich die Tötung arabischer Besitzer von Satellitenkanälen, die »unmoralische Sendungen« ausstrahlten, gut hieß. Mit großer Aufmerksamkeit wurde auch der Wechsel an der Spitze der umstrittenen »Tugendkommission«, einer Art Religionspolizei, registriert. Der bisherige Kommissionsleiter Scheich Ibrahim al-Ghaith hatte sich als Hardliner besonders gegen Frauen einen Namen gemacht. Er wird durch den moderateren Scheich Abdul Aziz Al-Humain ersetzt.

Der Chef der Zentralbank wurde ebenso ausgetauscht wie die Leiter der Beschwerdekommission und der Kommission für Menschenrechte. Erstmals ernannte König Abdullah Vertreter aller vier sunnitischen Rechtsschulen für den religiösen Rat der Ulema, in dem die führenden Gelehrten des Landes zur religiösen Rechtsprechung vertreten sind. Bisher waren ausschließlich Vertreter der konservativen Hanbali-Schule (Wahabiten) in dem Rat vertreten. Mohammad al-Zulfa, Mitglied im Shoura-Rat, kommentierte gegenüber arabischen Medien die Regierungsumbildung als »größten Wechsel, den dieses Land in den letzten 20 Jahren erlebt hat«. Die Menschen erwarteten politische Veränderungen, so Zulfa, »das ist ein Neuanfang für König Abdullah«.

Die Ernennung einer Frau auf einen Regierungsposten wurde von vielen Seiten in Saudi-Arabien als überfällig begrüßt. Skeptischer äußerte sich allerdings der Anthropologieprofessor Khaled Al-Radihan, der auf »sehr konservative Strömungen in der saudischen Gesellschaft« verwies. Wenn die Ministerin »Erfolge vorweisen kann, könnten sich die Dinge aber ändern«. Auf jeden Fall sei ihre Ernennung ein »positiver Wechsel und gut für eine bessere Zukunft«.

Die neue Ministerin Nora bint Abdullah Al-Fayez gilt als Expertin in der Bildungsarbeit mit Mädchen. Von 1982 bis 2001 arbeitete sie als Lehrerin, danach übernahm sie die Leitung der Frauenabteilung des fortschrittlichen Instituts für öffentliche Verwaltung, oft Zielscheibe der »Tugendkommission«. Nach Angaben aus arabischen Regierungskreisen sei sie von ihrem Ehemann in ihrem beruflichen und politischen Engagement bestärkt worden. In ihrem neuen Amt wird Al-Fayez für die Bildung der saudischen Mädchen an den mehr als 10 000 Schulen im Land zuständig sein. Der seit August 2005 in Saudi-Arabien herrschende König Abdullah beansprucht zwar die absolute Autorität im Land, in Sachen Frauenrechte allerdings gilt er als »Reformer«.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Februar 2009


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