Streit entzweit Syrien und Saudi-Arabien
Kampf um regionale Vormachtstellung bringt die ungleichen arabischen Brüder gegeneinander auf
Von Karin Leukefeld *
Ein verbaler Schlagabtausch zwischen Syrien und Saudi-Arabien schlägt Wellen in Libanon.
Regionale Machtansprüche, westlicher Druck und das Verhältnis zu Iran führen zu Spannungen.
Syriens Vizepräsident Faruk al-Sharaa ist bekannt für klare Worte. Bei einem Vortrag an der
Universität in Damakus kritisierte er kürzlich das saudische Königshaus für dessen »ineffektive
Politik in der Region.« Praktisch »gelähmt« sei Saudi Arabien sagte Al-Sharaa und verwies auf das
Abkommen zwischen den palästinensischen Organisationen Fatah und Hamas Anfang des Jahres in
Mekka. Die eigentliche Vorarbeit des Abkommens sei in Damaskus geleistet worden, das
Königshaus habe in Mekka am 8. Februar nur den Rahm abgeschöpft. Überdies sei es
»bedauerlich«, dass Saudi-Arabien der Konferenz über die Sicherheitslage im Irak in Damaskus
ferngeblieben sei, an der neben Irak und den Nachbarländern des Zweistromlands auch Vertreter
der USA teilgenommen hätten.
Das Saudische Königshaus reagierte gereizt. »Lügen und Falschheiten« habe der syrische
Vizepräsident verbreitet, »vielleicht war es ein Versprecher, als er von 'gelähmt' sprach, vielleicht
meinte er seine eigene Politik«, hieß es sarkastisch. Man sei im Übrigen nicht bereit, sich auf die
Ebene von Scharaa »herabzulassen, der die Traditionen und Gepflogenheiten in den Beziehungen
der brüderlichen arabischen Nationen« missachtet habe. Dessen scheint man sich inzwischen auch
in Damaskus bewusst zu sein und versucht, die Wogen zu glätten. Der Vizepräsident sei
»ungerechtfertigt falsch« interpretiert worden, hieß es. Man wolle keinen »Streit, der nur den
Feinden der beiden Bruderstaaten und der arabischen Nation« nutze.
Streit zwischen Syrien und Saudi-Arabien sei nicht neu, so der syrische Politikwissenschaftler
Marwan Kabalan von der Universität Damaskus. Die »Brüder« sind sehr verschieden. Während das
Haus König Sauds in den 1920iger Jahren mit den westlichen Großmächten eine Allianz einging,
kämpfte Syrien gegen die westlichen Kolonialmächte. Saudi-Arabien ist der reichste Ölstaat, Syriens
Ökonomie basiert auf Landwirtschaft, der mit der Besetzung der Golanhöhen 1967 durch Israel
sprichwörtlich das Wasser abgegraben wurde.
Während des Kalten Krieges positionierten sich beide Staaten in unterschiedlichen Lagern. Im Irak-
Iran-Krieg (1980-88) unterstützte Saudi-Arabien den Irak, Syrien war auf der Seite Irans. Gegen die
Invasion 2003 machten Syrien und Iran gemeinsam Front, Saudi-Arabien unterstützte die USA.
Auch die politischen Systeme sind verschieden. Saudi-Arabien gilt als religiös-konservativer Staat,
der König als Hüter der Heiligen Stätten des Islam, während Syrien säkular von der sich als
fortschrittlich verstehenden Baath-Partei und der alawitischen Familie Assad regiert wird.
Zum offenen Streit kam es nach Ausbruch des Sommerkrieges 2006 in Libanon. Während Saudi-
Arabien die Hisbollah für den Krieg verantwortlich machte, lobte Syrien deren Widerstand. Libanon
ist – zum Leid der Libanesen – bevorzugtes Kampffeld der ungleichen Brüder. Der jüngste syrischsaudische
Schlagabtausch wird in Libanon mit der Präsidentschaftswahl Ende September in
Verbindung gebracht. Jahrzehnte standen sich beide Regime in Beirut gegenüber. In Person von
Emile Lahoud, dem von Syrien unterstützten Präsidenten und Rafik Hariri, dem von Saudi-Arabien
gesponserten Ministerpräsidenten mit saudischem Pass. Für dessen Ermordung macht das
Königshaus Syrien verantwortlich.
Die Lage entspannte sich, als Syriens Präsident Assad vom saudischen Kronprinzen beim
Arabischen Gipfeltreffen in Riad begrüßt wurde. Saudi-Arabien einigte sich zudem mit Iran, es in
Libanon nicht zu einer Eskalation zwischen der von Syrien und Iran unterstützen Hisbollah und dem
von Saudi-Arabien und dem Westen unterstützen Regierungslager kommen zu lassen. Mit ihrer
jüngsten Waffenlieferungsoffensive an Saudi-Arabien versucht Washington einen Keil zwischen die
Arabische Welt und Iran zu treiben. Aus Sicht von Marwan Kabalan ist eine saudisch-syrische
Kooperation allerdings »lebensnotwendig für Stabilität und Wohlstand« in der arabischen Welt.
Sollte die scheitern, so Kabalan, würden »andere Regionalmächte die Gelegenheit des
innerarabischen Konflikts nutzen und das Machtvakuum füllen.«
* Aus: Neues Deutschland, 27. August 2007
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