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Senegal in der Sackgasse

Gewalt und Einschüchterung machen Präsidentenwahl zur Farce *

Wenige Tage vor der Präsidentenwahl im Senegal hat Amnesty International vor neuen Einschüchterungen und Übergriffen gewarnt.

In den vergangenen Wochen sei die Regierung immer wieder mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgegangen, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in Berlin. Oppositionelle und Journalisten würden eingeschüchtert. Im Senegal gibt es heftige Proteste gegen Abdoulaye Wade (85), der sich am Sonntag zur Wiederwahl für eine dritte Amtszeit stellt, obwohl die Verfassung nur zwei zulässt.

»Für die Zukunft des Senegal ist es von enormer Bedeutung, dass die Menschen ihre Rechte auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausüben können«, sagte Wolfgang Roth, Senegal-Experte von Amnesty. Inhaftierte Demonstranten, die wegen der Ausübung dieser Rechte inhaftiert wurden, müssten sofort freigelassen werden. In Senegal sind mehrere Anführer der Protestbewegung in Haft, ohne dass bisher Anklage erhoben wurde.

Bei der gewaltsamen Auflösung einer nicht genehmigten Demonstration in Senegal ist auch der bekannte Sänger und Oppositionelle Youssou N'Dour verletzt worden. Der 52-Jährige sei am Dienstagabend (21. Feb.) in Dakar am linken Bein verletzt worden, teilte ein Sprecher von N'Dours politischer Bewegung »Fekke ma ci bolle« (etwa: Ich mische mich ein) mit. Er sei beim Arzt gewesen, wolle aber keine große Sache daraus machen.

N'Dour wollte bei der Präsidentenwahl am Sonntag gegen Wade antreten; der Weltmusikstar wurde aber nicht zugelassen, weil er nicht genügend gültige Unterschriften gesammelt haben soll.

Seit Juli 2011 sind alle Demonstrationen im Geschäfts- und Regierungsviertel von Dakar verboten. Das Oppositionsbündnis M23 hatte dennoch am Wochenende erneut zu Demonstrationen aufgerufen, um gegen eine weitere Kandidatur Wades bei der Präsidentenwahl zu protestieren. Wade selbst hält seine Kandidatur für rechtmäßig. Auch das Verfassungsgericht wies Ende Januar Einsprüche gegen Wades Kandidatur als »unbegründet« zurück.

Mindestens sechs Menschen kamen in dem westafrikanischen Land ums Leben, seitdem vor einigen Wochen ein hitziger Wahlkampf in Straßenkämpfe mit brennenden Barrikaden umschlug. Wades Regierung selbst musste einräumen, dass die Polizei übermäßig gewalttätig vorgeht - etwa vergangenen Freitag, als sie eine voll besetzte Moschee während des Mittagsgebets mit Tränengas ausräucherte.

* Aus: neues deutschland, 23. Februar 2012

PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN IM SENEGAL: MEINUNGSFREIHEIT MUSS GEWÄHRLEISTET SEIN

22. Februar 2012 - Amnesty International befürchtet, dass Oppositionelle und Journalisten anlässlich der anstehenden Präsidentschaftswahlen am 26. Februar im Senegal eingeschüchtert werden und es zu gewaltsamen Übergriffen durch Sicherheitskräfte kommt. Bereits in den vergangenen Wochen ging die Regierung immer wieder mit Gewalt gegen Protestierende vor, die friedlich gegen die umstrittene dritte Präsidentschaftskandidatur des amtierenden Staatsoberhauptes Abdoulaye Wade demonstrierten.

"Für die Zukunft des Senegal ist es von enormer Bedeutung, dass die Menschen ihre Rechte auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausüben können", sagt Wolfgang Roth, Senegal-Experte von Amnesty International in Deutschland. "Protestierende, die diese Rechte wahrgenommen haben und deshalb verhaftet wurden, müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden." In den vergangenen Wochen waren unter anderem mehrere Anführer der Bewegung "Y en a marre" ("Wir haben es satt") bei Demonstrationen verhaftet worden. Anklagen wurden bisher nicht erhoben.

Die Bewegung "Y en a marre" wurde im Januar 2012 von im Senegal bekannten Rap-Musikern gegründet, die sich gegen eine erneute Kandidatur von Präsident Wade aussprechen. Dieser hatte nach zwei regulären Amtsperioden angekündigt, sich ein weiteres Mal zur Wahl zu stellen. Das Verfassungsgericht bestätigte seine Kandidatur Ende Januar als rechtmäßig. Einen Tag vor Bekanntgabe dieser Entscheidung verhängte der Präfekt der Hauptstadt Dakar ein Demonstrationsverbot, das noch immer in Kraft ist. Seit Ende Januar sind bei Protesten gegen Wades Kandidatur mindestens drei Menschen durch Sicherheitskräfte getötet worden.

In einem aktuellen Bericht von Januar 2012 dokumentiert Amnesty International massive Menschenrechtsverletzungen im Senegal während der vergangenen Jahre. Immer wieder werden Oppositionelle und Journalisten auf Grund ihrer politischen Überzeugungen bedroht, eingeschüchtert oder inhaftiert.

Quelle: Website von amnesty international; http://www.amnesty.de




Wahl-Aufruhr

Von Olaf Standke **

Es sind schlechte Vorzeichen für die Präsidentenwahl in Senegal, das lange als afrikanisches Musterland in Sachen Demokratie galt. Gewaltsam löste die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas am Dienstagabend in der Hauptstadt Dakar eine Protestdemonstration gegen eine weitere Amtszeit von Staatschef Abdoulaye Wade auf. Auch der weltberühmte Sänger Youssou N'Dour wurde verletzt. Er darf am Sonntag nicht antreten, weil er angeblich die notwendige Zahl gültiger Wählerunterschriften für seine Kandidatur nicht erreicht habe.

Der 85-jährige Wade schon, wenngleich das nach zwei Amtsperioden gar nicht mehr möglich sein sollte. Auch diese Entscheidungen des Verfassungsgerichts haben zu einem mehr und mehr blutigen Wahlkampf auf brennenden Barrikaden beigetragen. Obwohl das Land unter gravierenden sozialen Problemen leidet, die Arbeitslosigkeit bei 50 Prozent liegt und hohe Lebensmittelpreise die vielen Armen besonders hart treffen, setzt der Politgreis auf teure Prestigeprojekte wie den neuen Flughafen von Dakar. Zugleich würden Opposition und Medien massiv eingeschüchtert, so Amnesty International, das jetzt nachdrücklich Meinungs- und Demonstrationsfreiheit für die Menschen in Senegal gefordert hat. Trotz aller Proteste hat Wade aber durchaus Chancen für eine Wiederwahl. Denn so einig die Opposition in seiner Ablehnung ist, so zerstritten zeigt sie sich, wenn es um eine gemeinsame personelle Alternative geht.

** Aus: neues deutschland, 23. Februar 2012 (Kommentar)


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