Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Fisch ist Leben

Senegal will seine wertvollste Ressource schützen und sagt illegalem Industriefang den Kampf an. Russischer Trawler beschlagnahmt

Von Georges Hallermayer *

Macky Sall will die Fischereigesetze seines Landes verschärfen. Dies kündigte der Präsident der Republik Senegal nach Angaben der französischen Zeitung Le Monde am vergangenen Freitag an. »Strikter noch als gegen die Piraten« wolle Fischereiminister Haidar El Ali gegen illegale Fänge vorgehen, ähnlich wie das Nachbarland Mauretanien, das mehrjährige Freiheitsstrafen für Schiffsbesatzungen vorsieht, die sich nicht an das Verbot halten.

Aktueller Anlaß ist die Beschlagnahme des russischen Fangschiffes »Oleg Naidenow«. Es liegt seit dem 4. Januar in der Marinebasis von Dakar und ist Anlaß einer schweren diplomatischen Krise zwischen dem westafrikanischen Staat und der Russischen Föderation. Die Besatzung des Fangschiffes wurde nicht verhaftet und kann sich an Bord frei bewegen. Der Kapitän indes ist auf der Flucht. Die »Oleg Naidenow« gehört der im russischen Murmansk registrierten Reederei JSC Fenix. Das Schiff ist 120 Meter lang und kann täglich mehrere hundert Tonnen Fisch aufnehmen. Es ist in Guinea-Bissau zugelassen, Senegals südlichem Nachbarstaat, und wurde in der nur von beiden Ländern gemeinsam genutzten Grenzzone von einem Kommando der senegalesischen Marine und der Gendarmerie aufgebracht. Drei das Fangschiff begleitende Seefahrzeuge – ein russisches und zwei ukrainische – verschleierten ihre Identität und konnten entkommen.

Nach Angaben aus Moskau wurde der Schleppnetzfischer samt Besatzung (62 russische und 23 Bürger aus Guinea-Bissau) am 3. Januar 46 Meilen vor der Küste des Nachbarlandes des Senegal aufgebracht und von der Marine nach Dakar eskortiert. Minister El Ali erklärte am 5. Januar, wegen illegalen Fischfangs wolle er das Schiff samt Ladung (1000 Tonnen Fisch im Wert von 2,3 Millionen Euro) konfiszieren und forderte eine Strafe wegen wiederholten Verstoßes gegen die aktuell geltenden Gesetze des Landes in Höhe von fast 610000 Euro.

Rußlands Vizeminister Michail Bogdanow bestritt die Anschuldigungen umgehend und forderte die sofortige Freilassung der Matrosen und die Freigabe des Schiffs. Seitdem beharren beide Seiten auf ihrem Rechtsstandpunkt. Der Generaldirektor der Reederei JSC Fenix, Juri Parschew, erwartet nach mehreren bilateralen Kontakttreffen am Wochenende, daß der Trawler nach 17 Tagen unproduktiven Stillstands wieder in See stechen kann. Er habe kein Bußgeld bezahlt, sondern nur eine Sicherheitsleistung hinterlegt, über deren Höhe er sich nicht ausließ. Rußlands Regierung bereitet indes eine Klage vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg vor.

600000 Menschen (17 Prozent der arbeitenden Bevölkerung des Senegal) arbeiten im Fischfang. Sie erwirtschafteten 2011 12,5 Prozent der gesamten Ausfuhren des Landes. Durch die Industriefischerei sind die Fanggründe akut in Gefahr. Die regionale Fischfangkommission (Carp), in der neben Senegal sechs westafrikanische Nachbarländer Mitglied sind, bemüht sich nicht nur, nachhaltige Fangquoten zu vereinbaren, sondern auch modernes Gerät zur Überwachung anzuschaffen. Versucht wird zudem, das Vorgehen gegen illegalen Fang mit dem Kampf gegen den Terror (Piraterie) zu verbinden. Senegal profitiert hier von der Strategie der Pariser Regierung, das »Hauptquartier des antiterroristischen Kampfes im Sahel« in Dakar einzurichten, wie der dem Präsidenten nahestehende Vorsitzende der Partei der Unabhängigkeit und Arbeit (PIT), Ibrahim Sene, meint.

Das kleine Land ist nicht in der Lage, selbst die zugelassenen 126 Industrietrawler in der eigenen maritimen Wirtschaftszone wirksam zu überwachen. Die elektronischen Positionsbestimmungen können nicht überprüft werden. Senegals Küste ist 718 km lang, von der des kleineren Gambia unterbrochen. Die staatliche Behörde DPSP verfügt zwar über eine Flottille von sechs Booten, die aber nur selten zu zweit ausfahren. Der senegalesische Blogger Bastien Renouil erklärt auf seiner Website bei Mediapart, daß Überwachungsflugzeuge seit Jahren nicht starten könnten – aus Mangel an Ersatzteilen. So muß es genügen, daß ein Zollinspektor auf das »Hilfsangebot« der französischen Luftwaffe zurückgreift und bei Patrouillen mitfliegt. Täglich können so einige Planquadrate nach spanischen, chinesischen, koreanischen oder russischen Trawlern abgesucht werden – und im Falle der »Oleg Naidenow« gab es denn auch mal einen (zufälligen?) Treffer.

Die Senegalesen versuchen, ihren Geldmangel durch partizipative Selbstorganisation der kleinen Fischer auszugleichen. Den handwerklichen Fang kontrolliert die eigene Gewerkschaft, was die Respektierung der Quoten oder die Größe der Netze und Netzmaschen betrifft. Und die Fischer zögern nicht, die großen Pötte bei der Behörde anzuzeigen. 47 Schiffe wurden während des Jahres 2012 stillgelegt und 660000 Euro Bußgelder verhängt. Angesichts eines jährlichen Schadens von offiziell geschätzten 76 bis 380 Millionen Euro ist das jedoch fast nichts.

Der zuständige Minister scheut sich auch nicht, die robust agierenden Umwelt- und Tierschützer von »Sea Shep­herd« um Unterstützung zu bitten. Die Aktivisten um den Kanadier Paul Watson sind schon seit Jahren japanischen Walfängern ein Dorn im Auge, und El Ali lobt sie, »weil sie sich nicht mit Theorie und blabla zufriedengeben, sondern zur Aktion schreiten«. Zwar befindet sich Watson zur Zeit in Japan in Haft. Die Organisation indes arbeitet energisch weiter. Sea Shepherd hat Mitte Januar die Operation »Sunu Gaal« (in der lokalen Sprache Wolof etwa »Unser Fisch ist Leben«) begonnen. Das neueste Schiff der Organisation, die »Jaire Mora Sandoval«, ist nach einem im Mai 2013 ermordeten 26jährigen Costaricaner benannt, der von Wilderern bedrohte Schildkröten beschützen wollte. Es patrouilliert mit zwölfköpfiger Besatzung und Vertretern der senegalesischen Marine bis Mitte März vor Dakar auf hoher See.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 22. Januar 2014


Zurück zur Senegal-Seite

Zur Senegal-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage