Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Spaniens Spagat in Sachen Kosovo

Truppenabzug verärgert NATO-Partner

Von Ralf Streck *

Spanien hält trotz Kritik aus den USA und von der NATO an der Entscheidung fest, seine Truppen aus Kosovo abzuziehen.

Die Worte der einstigen Pazifistin sind deutlich: Der Abzug der spanischen Truppen werde schrittweise und in Absprache mit den NATO-Verbündeten vollzogen werden, sagte die spanische Verteidigungsministerin Carme Chacón am Montag im Marinestützpunkt Rota bei Cádiz in Südspanien. Die Entscheidung sei unumstößlich. Ein Großteil der rund 630 spanischen KFOR-Soldaten werde bis zum Ende des Sommers die italienische Zone in Kosovo verlassen haben.

Chacóns Aussage vom Montag wird die Beziehungen Spaniens zu den USA und den EU-Bündnispartnern nun noch stärker belasten: »Die Aufgaben sind abgeschlossen, die uns nach Kosovo geführt haben«, sagte sie.

Dass sie die tiefen Abgründe offen legte, die in der Kosovo-Frage zur EU und den USA klaffen, wird Washington und Brüssel verärgern. »Wir erkennen die Unabhängigkeit Kosovos nicht an, und deshalb ist unsere Aufgabe abgeschlossen«, sagte die Ministerin. Die Verantwortung sollten die Staaten tragen, die Kosovo anerkennen. »Jetzt steht die Konsolidierung des neuen Staates an, den Spanien nicht befürwortet.«

Man darf auf die Reaktionen der Bündnispartner gespannt sein. Schon nach der Ankündigung Chacóns war Spanien der Kritik ausgesetzt. Die USA-Regierung unter Barack Obama sprach diplomatisch von »tiefer Enttäuschung«. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer bezeichnete die Ankündigung als »unglücklich«, ließ aber auf einer Sitzung zur Vorbereitung des NATO-Gipfels in Straßburg offen seiner »Wut und Frustration« freien Lauf.

Danach sah es so aus, als rudere Madrid zurück. Bernardino León, der im Ministerpräsidentenamt für Außenpolitik zuständige Generalsekretär, rügte Chacón. Sie habe den Alliierten »nicht die nötigen Erklärungen« gegeben und Spanien dem Vorwurf ausgesetzt, das Bündnisprinzip »gemeinsam rein, gemeinsam raus« verletzt zu haben. Der Abzug werde so lange aufgeschoben, wie es notwendig sei, die Einsatzziele zu erreichen, und er werde eng mit den Beteiligten abgestimmt. Den USA bot er zur Besänftigung »alle zur Verfügung stehenden Mittel« für die neue Strategie Obamas in Afghanistan an.

Der neue Schwenk der Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero hat das Desaster noch vergrößert. Dabei wollte er nach dem Abgang George Bushs die Beziehungen zu den USA normalisieren, die seit dem Abzug spanischer Truppen aus Irak stark belastet sind. Offenbar dominieren innenpolitische Erwägungen. Die schwächelnde Regierung hält ihren Spagat im Dauerstreit mit Katalanen und Basken nicht mehr aus. Denn denen verweigert sie das Selbstbestimmungsrecht systematisch, hintertreibt sogar die Autonomiestatuten, zur Unabhängigkeitserklärung Kosovos aber verhält sie sich widersprüchlich. Das Vertrauen in Zapatero ist nicht nur international beschädigt, sondern auch national. Inzwischen findet seine Minderheitsregierung im Parlament keine Mehrheiten mehr. Die Oppositionsparteien haben schon angekündigt, dass in sechs Monaten Neuwahlen fällig werden.

* Aus: Neues Deutschland, 25. März 2009


Zurück zur Serbien-Seite

Zur Spanien-Seite

Zurück zur Homepage