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Serbiens Weg auch nach den Wahlen offen

Parteienbündnis von Präsident Tadic erhielt die meisten Stimmen, aber bei weitem nicht die Mehrheit

Serbien steht nach den Parlamentswahlen vom Sonntag (11. Mai) eine schwierige Regierungsbildung bevor. Zwar erhielt das proeuro­päische Parteienbündnis von Präsident Boris Tadic mit nach vorläufigen Angaben 38,8 Prozent die meisten Stimmen, aber ob das für eine Mehrheit reicht, war am Montag offen. Die Serbische Radikale Partei (SRS) von Tomislav Nikolic kam demnach bei dem Urnengang 29,2 Prozent. Die Demokratische Partei Serbiens (DSS) des amtierenden Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica erreichte 11,6 Prozent. Die Sozialistische Partei der Anhänger des verstorbenen Slobodan Milosevic erhielt 8,2 Prozent – ihr bestes Ergebnis seit dem Sturz des früheren serbischen und jugoslawischen Präsidenten im Jahr 2000.

Nikolic traf am Montag (12. Mai) mit Kostunica zusammen, um die Möglichkeiten für ein Regierungsbündnis auszuloten. »Es gibt eine eindeutige Chance, daß eine Regierung gebildet wird, die Tadics Partei nicht einbezieht«, sagte Nikolic. Kostunicas Sprecher erklärte, der Ministerpräsident werde sich in den kommenden Tagen mit weiteren Parteien beraten. Nach bisher vorliegenden Zahlen könnten SRS, DSS und die Sozialisten zusammen auf 127 Mandate kommen und damit eine Regierungsmehrheit im 250köpfigen Parlament zustande bringen. Tadics Koalition hat nach vorläufigen Zahlen 103 Sitze sicher.

Nikolic warf Tadic vor, Gewalt zu schüren, weil er sich bereits in der Nacht zum Montag zum Wahlsieger erklärt habe. Der Präsident entgegnete, er werde es nicht zulassen, »daß diejenigen, die Serbien in die Zeit der 90er Jahre zurückführen wollen, den Wählerwillen ins Gegenteil verkehren«. Er sei auf harte Regierungsverhandlungen eingestellt und werde einen Ministerpräsidenten aus dem proeuropäischen Lager vorschlagen. Es wurde erwartet, daß auch der Präsident sich bemühen würde, die Sozialisten für eine Koali­tion zu gewinnen.(AP/AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 13. Mai 2008


Fremdbestimmung

Serbien: EU erklärt sich zum Wahlsieger

Von Werner Pirker *


Die Europäische Union und ihr Mann in Belgrad wähnen sich als die absoluten Sieger der serbischen Parlamentswahlen. Präsident Boris Tadic, dessen Demokratische Partei an die 39 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte, sieht im Wahlergebnis die »Unterstützung für einen klaren europäischen Weg«, und auch die slowenische EU-Präsidentschaft konstatierte eine »klaren Sieg der proeuropäischen Kräfte«. Und weil alles so klar ist, brachte Ljubljana gleich auch noch Brüssels Wunsch nach der »raschen Bildung einer Regierung mit einem klaren europäischen Programm« zum Ausdruck. Damit klar ist, wie es um Serbiens Souveränität künftig bestellt sein wird.

Dabei ist gar nichts klar. Das Lager der Unterwerfung hat einen fast vierzigprozentigen Wählerzuspruch erfahren. Die Kräfte der nationalen Selbstbehauptung aber wissen immer noch die Mehrheit der serbischen Bevölkerung hinter sich. Die serbischen Radikalen, Kostunicas Demokratische Partei Serbiens und die von Slobodan Milosevic gegründete Sozialistische Partei Serbiens könnten, wenn sie das auch wollten, die Regierung bilden und die Tadic-Partei in die Opposition zwingen. Die Voraussetzung für ein solches Szenario wäre die Bereitschaft Kostunicas, sich dem westlichen Diktat offen zu widersetzen. Wie die prompte Reaktion der EU-Präsidentschaft deutlich gemacht hat, wird Brüssel – und Washington nicht minder – nur eine Regierung anzuerkennen bereit sein, die sich programmatisch zur Unterordnung verpflichtet. Die Fremdherrschaft über die serbische Demokratie findet ihre interne Entsprechung in den diktatorischen Allüren eines Präsidenten, der nur eine von seiner Partei geführte Regierung akzeptieren will und deshalb erklärte: »Die Bildung einer Regierung von Parteien, die Serbien in die Isolation führen möchten, werde ich absolut nicht zulassen.«

Das sind Worte, die auch eine Gewaltlösung nicht ausschließen. Daß der Westen zu einer solchen bereit und auch imstande ist, hat der Bombenkrieg 1999 hinreichend bewiesen. Die EU-Politik gegenüber Belgrad ist die Fortsetzung der NATO-Aggression. Serbien wurde als einzigem Land die Preisgabe seiner territorialen Integrität als Aufnahmebedingung für seine EU-Mitgliedschaft diktiert. Dennoch verbinden an die 40 Prozent der serbischen Wählerschaft mit dem »europäischen Weg« Aufstieg und nicht Abstieg. Sie erhoffen sich Anschluß an die europäischen Wohlstands- und Leistungsgesellschaften, obwohl Serbiens europäische Perspektive bisher nur im nationalen Zerfall bestand. Noch bevor Serbien in der EU ist, ist die EU bereits in Serbien – als illegale Besatzungsmacht im Kosovo.

Und sie wird sich auch den Sieg bei den Parlamentswahlen nicht nehmen lassen. Allein Kostunica könnte ihn ihr, wäre er zur Bildung einer Regierung der patriotischen Mehrheit bereit, streitig machen. Doch dazu müßte er die äußerste Konfrontation wagen.

* Aus: junge Welt, 13. Mai 2008 (Kommentar)

Kosovo-Serben planen eigenes Parlament

MOSKAU, 07. Mai (RIA Novosti). Die Kosovo-Serben wollen sich der von Albanern dominierten Regierung in Pristina nicht unterstellen und haben vor, nach der Parlamentswahl in Serbien ein eigenes Parlament in der Region zu bilden.

"Die Kosovo-Serben brauchen ein eigenes Vertretungsorgan, um ihre gesetzlichen Rechte zu verteidigen", sagte Marko Jaksic, Präsident des serbischen Gemeindeverbandes im Kosovo, am Mittwoch nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters. Dies sei die einzige Überlebensmöglichkeit für die Serben in diesem Gebiet.

Das jetzige Kosovo-Parlament sei von den Albanern dominiert, die die Interessen der serbischen Minderheiten nie verteidigen würden, sagte Jaksic. "Wir werden um unsere Ideen kämpfen." Die Parlamentswahl in Serbien, zu dem das Kosovo völkerrechtlich gehört, stehen am 11. Mai an.

Das Kosovo hatte am 17. Februar die Unabhängigkeit von Serbien verkündet. Der neue Status wurde bislang von rund 40 Ländern anerkannt, darunter zuerst von den USA und den meisten europäischen Ländern. Serbien, Russland, China, Indien, Spanien, Griechenland und viele andere Staaten lehnen die Unabhängigkeit des Kosovo als Verstoß gegen das Völkerrecht ab.

** Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 7. Mai 2008



Jubel bei der SPD über Wahlsieger Steinmeier

13. Mai 2008 - 353

AG Aussenpolitik

Wahl in Serbien: Thema Europa hat gesiegt

Zu den serbischen Parlamentswahlen erklaert der aussenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Gert Weisskirchen:

Die serbische Demokratie schreibt in diesen Tagen Geschichte. Die serbische Bevoelkerung hat bei den Parlamentswahlen am 11. Mai der Demokratischen Partei (DS) von Praesident Tadic zu einem haushohen Sieg verholfen und sie zur staerksten Kraft im serbischen Parlament gemacht. Diese Entscheidung zeigt, dass sich die Bevoelkerung in Serbien durch die einseitige Unabhaengigkeitserklaerung des Kosovo und die von der Radikalen Partei und von Premierminister Vojislav Kostunica angestachelte auch gewalttaetige, nationalistische Hetze gegen die pro europaeischen Politiker nicht beirren hat lassen. Die Nationalisten haben sich im Wahlkampf nicht gescheut Schmaehungen, Vorwuerfe von Landesverrat und sogar Morddrohungen gegen Praesident Boris Tadic und andere oeffentlich auszusprechen.

Kurz vor den Wahlen erfolgten mit der entscheidenden Unterstuetzung des deutschen Aussenministers Frank-Walter Steinmeier die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) durch Praesident Boris Tadic in Bruessel und weitere Schritte Richtung Liberalisierung des Visaregimes. Dies waren wichtige politische Signale der Europaeischen Union an die serbische Bevoelkerung, dass eine Mitgliedschaft Serbiens in der EU weiterhin von den Mitgliedsstaaten befuerwortet wird.

Praesident Boris Tadic wird nun die DS mit der Regierungsbildung beauftragen, eine stabile, demokratische und europafreundliche Regierung zu bilden. Es besteht die Hoffnung, dass Serbien und die gesamte Region des westlichen Balkans den Weg der wirtschaftlichen Reformen, der weiteren Demokratisierung und der Integration in die EU gemeinsam gehen werden. Serbien wird auf diesem Weg noch grosse Herausforderungen meistern muessen. Dieses Wahlergebnis kann eine wichtige Hilfe sein, diesen Weg zu ebnen. Die deutsche Sozialdemokratie wird der DS und Serbien auf diesem Weg als Partner zur Seite stehen.

Quelle: Newsletter der SPD-Fraktion, 13. Mai 2008


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