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Kein Geld für Wahlen

Simbabwe sucht Finanzhilfe und fürchtet Einmischung

Von Christian Selz, Kapstadt *

Mit einem großen Festakt feiert Simbabwe am heutigen Donnerstag im National Sports Stadium der Hauptstadt Harare seinen 33. Unabhängigkeitstag. Polizei- und Militärparaden sind geplant, Präsident Robert Mugabe hält die Festrede unter der Parole »Frieden, Wohlstand und ökonomische Ermächtigung für nationale Entwicklung«. Doch die Wirtschaft des Landes hat sich trotz moderaten Wachstums und der Einführung des US-Dollars noch immer nicht von der 2009 überwundenen Hyperinflation erholt, die Importe übersteigen die Exporte um mehr als das Doppelte. Die Steuereinnahmen im März liegen nach Angaben des Finanzministers Tendai Biti mit 241 Millionen US-Dollar 20 Prozent unter der Kalkulation. Die leeren Kassen konterkarieren die gefeierte Unabhängigkeit. Derzeit muß Simbabwes Regierung gar im Ausland um Finanzhilfen bitten, um die noch für dieses Jahr vorgesehenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu finanzieren. Bevorzugter Adressat ist der große Nachbar Südafrika. Ursprünglich angefragte UN-Hilfen lehnte die Regierung Mugabes zu Wochenbeginn wegen befürchteter politischer Einmischung wieder ab.

»Südafrika und Simbabwe sind in Diskussion darüber, ob das Land Simbabwe finanzielle Hilfe leisten wird«, bestätigte Phumza Macanda, Sprecherin des südafrikanischen Finanzministeriums am Dienstag – einen Tag nachdem Biti bereits freudig die Bereitstellung eines 100-Millionen-Dollar-Darlehens aus dem Nachbarland verkündete. Laut Macanda sind die Verhandlungen dagegen erst »an einem sensiblen Punkt« angelangt. Problematisch könnte dabei sein, daß die Leere in der simbabwischen Staatskasse ungefähr genauso groß ist wie die Angst vor politischer Einmischung potentieller Geber. Nachdem die Vereinten Nationen Finanzhilfen an die Entsendung einer Delegation zur Erörterung der Lage in Simbabwe geknüpft hatten, zog die Regierung Mugabe das Hilfsgesuch prompt zurück. Laut der in Harare erscheinenden staatlichen Zeitung The Herald hätte die UN-Delegation Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Akademiker und Mitglieder einer Journalistenvereinigung treffen wollen, die »nichts mit den Wahlen zu tun« hätten und »von denen einige der Regierung feindlich gegenüberstehen«. Der Justizminister bezeichnete das Hilfsgesuch am Dienstag denn auch als »abgeschlossenes Kapitel«; man werde nun im Inland nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen.

Das dürfte allerdings schwierig werden. 132 Millionen US-Dollar, umgerechnet 100 Millionen Euro, werden die Wahlen nach Schätzungen des Finanzministeriums kosten. Ressortchef Biti schloß eine erneute Leihe von lokalen Unternehmen, mit der bereits das erfolgreiche Verfassungsreferendum im März finanziert worden war, bereits aus. »Wir haben die Wirtschaft für das Referendum im Prinzip vergewaltigt«, so Biti. Er gehört zur Bewegung für demokratischen Wandel (MDC) des Premierministers Morgan Tsvangirai, der 2008 gegen Mugabes ZANU-PF angetreten war. Nach dem Ausbruch einer Gewaltwelle verzichtete Tsvangirai damals auf eine Stichwahl und hatte 2009 zusammen mit Mugabe eine Regierung der nationalen Einheit gebildet. Diese nicht sonderlich harmonische Ehe will Mugabe nun möglichst schnell mit Neuwahlen beenden, die MDC sträubt sich allerdings seit Monaten gegen einen baldigen Termin – offiziell, um die neue Verfassung umsetzen zu können, inoffiziell aber auch wegen schlechter Umfragewerte.

Seine leeren Kassen sind für den Finanzminister daher auch ein willkommenes Argument für einen weiteren Aufschub der Wahlen. Am Dienstag kam allerdings zumindest auf politischer Ebene Bewegung in die Debatte um den Termin: Bei einem gemeinsamen Treffen beschlossen Mugabe und Tsvangirai die Bildung einer Kommission, die den Weg zu den Wahlen bestimmen soll. Viel Zeit bleibt dafür nicht: Am 29. Juni endet die Legislaturperiode. Finden die Wahlen dann nicht innerhalb von höchstens vier Monaten statt, wäre die gerade erst mit 95prozentiger Zustimmung verabschiedete neue Verfassung bereits gebrochen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 18. April 2013


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