Sicherheitsrat vertagt Sanktionen
Regierung und Opposition Simbabwes verhandeln in Südafrika
Von Marc Engelhardt, Nairobi *
Simbabwes Regierung und Opposition sitzen erstmals seit der jüngsten Wahlkrise am
Verhandlungstisch. Doch Anzeichen dafür, dass der greise Präsident Robert Mugabe Macht abgibt,
gibt es trotz wachsenden internationalen Drucks nicht.
Für seine diplomatischen Töne ist Simbabwes Botschafter bei den Vereinten Nationen ohnehin nicht
bekannt. Doch der Brief, der Freitag früh bei den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats landete, war
selbst nach simbabwischen Maßstäben kaum weniger als eine Kriegserklärung. Hätten die von den
USA und Großbritannien geforderten Sanktionen das Gremium passiert, hätte Simbabwe ein
Bürgerkrieg gedroht. »Verhältnisse wie in Somalia« würden ausbrechen, wo seit 1991 Chaos
herrscht.
Die Drohung kommt nicht vollkommen überraschend: Schon vor der umstrittenen
Präsidentenstichwahl Ende Juni hatten Armeeangehörige damit kokettiert, Mugabe notfalls mit
militärischen Mitteln an der Macht zu halten. Dabei bleibt die Resolution, deren Verabschiedung
vergangene Woche mehrfach verschoben worden war, weit hinter dem zurück, was etwa die EU
schon seit sechs Jahren beschlossen hat: ein Waffenembargo und das Einfrieren von Konten sowie
verfügte Reiseverbote für Präsident Mugabe und 13 seiner engsten Vertrauten, unter ihnen
Armeechef Constantine Chiwenga, Zentralbankchef Gideon Gono und mehrere Minister. In Europa
gelten derzeit schon die gleichen Auflagen für 126 Stützen des Regimes. Doch bislang konnte sich
Simbabwes herrschende Elite, der unter anderem dekadente Einkaufsreisen ins nahe Südafrika
nachgesagt werden, mit befreundeten Ländern arrangieren. Chinas jüngste Waffenlieferungen, die
vom Westen scharf kritisiert wurden, sind nur ein Beispiel. Global geltende Sanktionen würden die
Führer des Regimes endgültig isolieren – genau das, was die USA und Großbritannien hoffen.
Gegen die Sanktionen sind neben Südafrika die beiden Vetomächte Russland und China, deren
Geschäftsinteressen in Simbabwe bedroht sind.
Vorläufig einigte der Sicherheitsrat sich darauf, das Ergebnis der Gespräche abzuwarten, die
Regierung und Opposition seit Donnerstag in Südafrikas Hauptstadt Pretoria führen. Es ist das erste
Mal seit der umstrittenen Wahl, dass beide Seiten zusammensitzen. Doch Oppositionsführer Morgan
Tsvangirai, der sich in Pretoria von seinem wegen Staatsverrat angeklagten Generalsekretär Tendai
Biti vertreten lässt, dämpfte gleich zu Beginn die Erwartungen: »Es kann keine Verhandlungen mit
Mugabes Regime geben, solange die Gewalt gegen die Opposition und die Bevölkerung anhält.«
Tsvangirais »Bewegung für demokratischen Wandel« (MDC) fordert die Freilassung von etwa 1500
politischen Gefangenen und einen weiteren Vermittler neben Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki,
der als Verbündeter Mugabes gilt. Mugabe hatte bislang gefordert, die Opposition müsse seine
umstrittene Wiederwahl anerkennen, bevor ernsthafte Verhandlungen über eine
Regierungsbeteiligung der Opposition beginnen könnte. Über die Details dessen, was am Freitag in
Pretoria besprochen wurde, drang zunächst nichts nach außen.
Von Hoffnung war in Simbabwe am Freitag (11. Juli) nichts zu spüren. Mehrere oppositionsnahe Zeitungen
berichteten, die regierende Partei ZANU-PF plane neue Massenverhaftungen von Oppositionellen.
Mit einer Gewaltkampagne solle die MDC gezwungen werden, einer großen Koalition unter
Mugabes Führung zuzustimmen. Einem Militärkommandeur zufolge werden für diesen Zweck die
gut 900 Folterlager wiederbelebt, die parteinahe Jugendliche in den Wochen vor der Wahl im
ganzen Land errichtet hatten. Flüchtlinge berichten, dort hätten Massenmisshandlungen und
politische »Zwangsschulungen« stattgefunden. Die Opposition spricht von mehr als 100 Toten. Aus
Angst fliehen immer mehr Simbabwer ins Ausland. Das UN-Flüchtlingshilfswerk spricht von einem
beunruhigenden Trend: Seien früher nur Hauptverdiener nach Südafrika geflohen, um ihre Familien
zu Hause zu versorgen, würden jetzt ganze Familien ihre Heimat aufgeben. In einer einzigen
Meldestelle in Johannesburg würden derzeit jeden Tag 4000 Flüchtlinge registriert.
* Aus: Neues Deutschland, 14. Juli 2008
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