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Simbabwe hat neue Verfassung – im Entwurf

Machtkampf noch nicht beendet

Von Hans-Georg Schleicher *

Ein parlamentarischer Ausschuss hat jetzt den Entwurf einer neuen Verfassung für Simbabwe vorgelegt. Kann er zur Entspannung im Kampf um die politische Macht beitragen?

Seit 2009 existiert die zerbrechliche Regierung der nationalen Einheit aus der Afrikanischen Nationalunion Simbabwes (ZANU-PF) des Präsidenten Robert Mugabe, der vormals oppositionellen Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) von Premierminister Morgan Tsvangirai und einer MDC-Splittergruppe. Ihr Auftrag besteht darin, den Staat zu reformieren – zuerst durch eine neue Verfassung als Voraussetzung für freie Wahlen.

Der nun vorgelegte Entwurf beschneidet die Vollmachten des Präsidenten erheblich und beschränkt seine Amtszeit auf zwei Wahlperioden. Die Auflösung des Parlaments, die Verkündung des Notstands und eine Kriegserklärung bedürfen künftig der Zustimmung des Parlaments. Meinungsund Pressefreiheit werden bekräftigt, die Rolle der Provinzen gestärkt. Der Präsident darf jedoch weiterhin wichtige Positionen im Staat besetzen.

Der Verfassungsentwurf soll nach Prüfung durch Mugabe und Tsvangirai womöglich noch 2012 in einem Referendum bestätigt werden. Wahlen wird es jedoch nicht vor 2013 geben. Mugabe hatte auf schnelle Wahlen gedrängt, wohl auch des eigenen Gesundheitszustands wegen. Mehrfach hatten Medien vorschnell sein bevorstehendes Ableben verkündet. Gegenspieler Tsvangirai wiederum sieht die freie, ungehinderte Betätigung aller politischen Kräfte noch nicht gewährleistet und hofft, dass sich die ZANU-PF mehr und mehr politisch verschleißt. Auch die Nachbarstaaten, die den Reformprozess in Simbabwe angestoßen und begleitet haben, bestehen auf einer neuen Verfassung und Wahlgesetzänderungen.

Tatsächlich hat die Regierung der nationalen Einheit, die eher schlecht als recht funktioniert, die Übergriffe von Sicherheitskräften noch nicht beenden können. Nach wie vor streiten Mugabe und Tsvangirai um die Vorherrschaft, wodurch politische Reformen erschwert werden. Besser ist die ökonomische Bilanz. Die Wirtschaft, einst im freien Fall, erholt sich allmählich. 2012 wird vor allem durch Bergbau und Landwirtschaft ein Wachstum von 9 Prozent erwartet. Die Inflation wurde deutlich reduziert, die Versorgung verbessert. Zahlreiche Autos in den Straßen Harares täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die sozialen Probleme gewaltig sind. Es fehlt an Investitionen, die Arbeitslosigkeit ist extrem. Die EU hat zwar eine weitere Lockerung der Sanktionen angekündigt, vor allem bei der Entwicklungshilfe, doch wird die erst nach 2014 wirksam. 2011 gab es bereits Erleichterungen für bestimmte Unternehmen und ausgewählte Personen – mit Ausnahme Mugabes und seines Führungszirkels.

Als Test dafür, ob die politische Gewalt eingeschränkt werden kann, gelten bevorstehende Nachwahlen in 38 Wahlbezirken. Sie könnten aber auch anzeigen, ob und inwieweit die beiden großen Parteien für ihre wenig konstruktive Politik bestraft werden.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. Juli 2012


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