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Mehr Fragen als Antworten in Simbabwe

Mugabes ZANU-PF gewinnt Wahlen mit großem Vorsprung / Herausforderer Tsvangirai protestiert

Von Christa Schaffmann *

Aus den Wahlen in Simbabwe ist Robert Mugabes ZANU-PF als Siegerin hervorgegangen. Sie errang eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Bei der Wahl des Präsidenten wurde der 89-jährige Mugabe mit mindestens 61 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Robert Mugabes Herausforderer Morgan Tsvangirai will das Ergebnis vor dem Obersten Gericht in Harare anfechten. Nach Angaben der Wahlkommission erhielt er nur 34 Prozent der Stimmen. Nun spricht er von Wahlfarce und Wahlbetrug.

Die Beobachter der Afrikanischen Union (AU) und der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC haben die Wahlen dagegen als »frei, ehrlich und glaubwürdig« bezeichnet. Vertreter simbabwischer Nichtregierungsorganisationen widersprechen. Aber was sind das für Organisationen? Stehen sie einer der beiden großen Parteien nahe und, wenn ja, was sind ihre Verlautbarungen dann wert?

Bereits rund um das Referendum über die neue Verfassung Simbabwes im März hatte sich abgezeichnet, dass viele Menschen zwar einen Wechsel wollen, aber nicht unbedingt den zu Tsvangirai. Er hatte viele Erwartungen nicht erfüllt und mehr durch Frauengeschichten von sich reden gemacht als durch politisches Handeln. Am Ende entschieden sich wesentlich mehr Simbabwer für die ZANU-PF als von vielen sogenannten Experten erwartet. Wie viele mehr tatsächlich, ist angesichts der auch von der AU eingeräumten Unregelmäßigkeiten unklar. Wahlentscheidend, so der Chef der Wahlbeobachter, Nigerias Expräsident Olusegun Obasanjo, seien diese Unregelmäßigkeiten jedoch nicht gewesen. Mit anderen Worten: Die ZANU-PF genießt noch immer oder wieder das Vertrauen der Mehrheit. Vielleicht sieht man in ihr auch nur das kleinere Übel. Vielleicht bauten die Wähler darauf, dass der alte Mann eine volle Amtszeit sowieso nicht durchstehen wird, die ZANU/PF geeignete Kandidaten für die Nachfolge hat und womöglich besser ausgebildete Kräfte als die Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC). Denkbar auch, dass Wähler fürchteten, für einen Wahlsieger Tsvangirai werde die Versorgung der eigenen Klientel Priorität haben, während Mugabes Umfeld bereits abgesahnt hat und versorgt ist.

Vergleiche mit den Wahlen 2008, wie Tsvangirai sie anstellt, sind unangemessen. Damals schickte der Verlierer Mugabe Schlägerbanden und Sicherheitskräfte ins Land. Diesmal gab es solche Übergriffe nicht. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon appelliert an die rivalisierenden Lager, deutliche Aufrufe zur Ruhe an ihre Anhänger auszusenden und eine Klärung der Differenzen um die Stimmauszählung abzuwarten. Dabei geht es um den Vorwurf, viele Wähler seien an der Wahl gehindert worden. Die Zahl von einer Million Menschen, die abgewiesen worden sein sollen, steht im Raum. Wer will sie gezählt haben? Wer sah ihnen an, für wen sie gestimmt hätten? Es geht auch um den Vorwurf, zwei Millionen Tote hätten im Wahlregister gestanden und votiert. Das gilt es ebenfalls zu überprüfen.

Wer jedoch Tsvangirai schon heute zum Opfer von Einschüchterung und Manipulationen erklärt, diskreditiert zig Beobachter aus afrikanischen und anderen Staaten – durchaus nicht alles Freunde Mugabes. Mit welchem Recht? Wieso sollen nur Beobachter aus Westeuropa fähig zu objektivem Urteil sein? Das klingt arg nach alten kolonialen Vorstellungen.

Anders gefragt: Wieso sollten ausgerechnet Beobachter aus jenen Ländern objektiv sein, die deutlich gemacht haben, dass sie für Simbabwe nur unter einem Wahlsieger Tsvangirai eine Zukunft sehen? Und trifft es nicht zu, dass Tsvangirai sich dem internationalen Kapital als entgegenkommender Verhandlungspartner angedient hat und deshalb der Wunschkandidat westlicher Regierungen war? Ist es nicht so, dass die Vorstellung, der simbabwische Staat könne 51 Prozent der Minen und anderer großer Betriebe übernehmen, damit die Gewinne dem eigenen Volk und nicht nur ausländischen Konzernen und Aktionären zugutekommen, viele erschreckt, nicht aber das simbabwische Volk?

Andererseits lassen sich Sorgen um die Zukunft des Landes, selbst unter ZANU-Anhängern, nicht leugnen. Viele bangen, ob Mugabes Partei die angekündigten Wirtschaftsreformen planvoller und zielführender umsetzen wird als vor Jahren die Vertreibung eines großen Teils der weißen Farmer. Deren vormals hochproduktive Betriebe wurden an Parteikader und andere Unterstützer Mugabes vergeben, um dessen ins Wanken geratene Macht zu sichern. Die Ernährung der Bevölkerung geriet dabei völlig aus dem Blick. Hat Mugabe aus den Fehlern von damals gelernt?

Sorgen bereitet vielen Simbabwern aller Lager auch die Vorstellung, dass eine Zweidrittelmehrheit die ZANU-PF dazu verführen könnte, die gerade verabschiedete Verfassung wieder zu ändern und andere Allmachtsfantasien auszuleben. Die nächsten Wochen und Monate werden es zeigen. Bis dahin ist die von Ban Ki Moon geforderte Ruhe nicht nur in Simbabwe, sondern auch im Ausland geboten. Ein Land für ein Wahlergebnis zu bestrafen, sollte keine Option sein.

* Aus: neues deutschland, Montag, 5. August 2013


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