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Klare Richtung

Simbabwe nach der Wahl: Indigenisierung der Wirtschaft als Trumpfkarte der Partei Präsident Mugabes

Von Christian Selz *

Nach seiner festlich inszenierten Vereidigung am vergangenen Donnerstag wird Simbabwes Präsident Robert Mugabe in den kommenden Tagen sein neues Kabinett vorstellen. Die Zusammensetzung der neuen Regierungsmannschaft, deren Personalien bisher noch strikt geheimgehalten werden, dürften ein erster Fingerzeig darauf sein, welches Lager innerhalb seiner Regierungspartei ZANU-PF künftig das Sagen hat – und wer den 89jährigen einmal beerben wird.

Wohin Simbabwe in den nächsten Jahren politisch steuert, ist nach dem deutlichen Wahlsieg zunächst relativ klar. Hinter dem Programm der Indigenisierung der Wirtschaft – Trumpfkarte der ZANU-PF im Wahlkampf – steckt die Absicht, den staatlichen und gesellschaftlichen Einfluß auf Schlüsselindustrien zu erhöhen. Zunächst sind ausländische Unternehmen dazu verpflichtet, 50 Prozent plus eine Aktie ihrer Operationen in Simbabwe an staatliche Institutionen, simbabwische Kapitalanleger und Kooperativen der jeweiligen Lokalbevölkerung abzugeben. Erstes Ziel der bereits eingeführten Regularien sind Bergbaukonzerne, doch die Regierung macht kaum ein Geheimnis daraus, das Gesetz bald auch auf Banken und andere Branchen anwenden zu wollen. Sogar vollständige Vergesellschaftungen scheinen möglich. »Warum sollen wir bei 50 Prozent aufhören«, fragte Mugabe im Wahlkampf bereits vielsagend. Entscheidend für die Akzeptanz des Programms in der Bevölkerung dürfte neben der tatsächlichen Umverteilung von Reichtum allerdings sein, wie weit politisch-vernetzte Unternehmer ihre Macht gegenüber Gemeinschaftsfonds der Lokalbevölkerung ausspielen können – oder eben nicht.

Die Politik der Marktliberalisierung zum Werben um Auslandsinvestitionen, die Mugabes Widersacher Morgan Tsvangirai sich auf die Fahnen geschrieben hatte, ist dagegen an den Wahlurnen beerdigt worden. Daran dürfte auch die von US-Außenamtssprecherin Jen Psaki zu Wochenbeginn verkündete Verlängerung von Wirtschaftssanktionen gegen das Land nichts ändern. Im Gegensatz zur EU, die ihre Sanktionen gegen Simbabwe ebenfalls noch aufrecht erhält, Großbritannien oder Australien haben sowohl die Afrikanische Union als auch die einflußreiche Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) die Wahlen als frei und fair eingeschätzt – und sich äußere Einmischung verbeten. Die turnusmäßige SADC-Vorsitzende, Malawis Präsidentin Joyce Banda, rief den Westen während eines Treffens der Staatengemeinschaft am vergangenen Wochenende in ihrem Heimatland erneut auf, die Sanktionen gegen Simbabwe aufzuheben. Thami Mazwai, Wirtschaftswissenschaftler an der Johannesburger Wits Business School im Nachbarland Südafrika, geht sogar noch einen Schritt weiter. »Dies ist ein Test für Afrika«. Es dürfe nicht scheitern, Europa zum Aufheben der Sanktionen zu veranlassen, schrieb er auf der konservativen Wirtschaftsnachrichtenplattform Business Live. »Die AU und die SADC sollten deshalb nicht nur die Aufhebung der Sanktionen fordern – sie sollten sagen, was sie tun werden, wenn die Sanktionen nicht aufgehoben werden.«

Auf die Politik der ZANU-PF dürften die Sanktionen ohnehin kaum Einfluß haben, die Zustimmung der Nachbarn dürfte sie nur weiter bestärken. Die derzeitige Debatte innerhalb der Partei ist allerdings eine andere. Hinter den Kulissen geht es dabei weniger um Programme als vielmehr um Köpfe. »Wir wissen, daß der Präsident bald 90 wird und Gott womöglich entscheiden könnte, ihn abzuberufen«, spekulierte Vizepräsidentin Joyce Mujuru am Rande einer Gedenkveranstaltung für ihren verstorbenen Ehemann am vergangenen Wochenende auf ihrer Farm in Beatrice, 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Harare. Solomon Mujuru, bis 1995 Armeechef Simbabwes und auch danach mächtiger ZANU-PF-Politiker, war 2011 bei einem mysteriösen Feuer in seinem Farmhaus umgekommen. Die allzu offenen Worte seiner Witwe im Gespräch mit der Zeitung Daily News, dürften nun deren Ambitionen auf eine Amtsübernahme empfindlich stören. Der auch aufgrund seiner politischen Ausrichtung aussichtsreichere Kandidat auf die Vorherrschaft innerhalb der Regierungspartei ist spätestens nach diesem Fauxpas Verteidigungsminister Emmerson Mnangagwa. Der 67jährige war führender Kopf bei der Ausarbeitung der Indigenisierungsgesetze und gilt als Gegner Mujurus innerhalb der Parteiführung.

* Aus: junge welt, Montag, 26. August 2013


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