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Robert Fico triumphiert in Bratislava

Absolute Mehrheit für Smer bei Parlamentswahl *

Nach knapp 44,5 Prozent der Stimmen bei den vorgezogenen Neuwahlen in der Slowakei kann Robert Ficos Smer 83 der 150 Abgeordneten ins Bratislavaer Parlament entsenden. Das ist das stärkste Ergebnis seit dem fast 20 Jahre zurückliegenden Wahlsieg von Vladimir Meciar.

Hinter der Smer teilen sich fünf Kleinparteien die Wählerstimmen: Die christlich-konservative KDH kommt auf 8,8 Prozent, eine neue christlich-liberale »Partei der einfachen Leute« (OLaNO) auf 8,5, die Ungarnpartei Most-Hid verliert 1,2 Prozent und erhält nur noch 6,9, während die frühere liberal-konservative Regierungspartei SDKU von den WählerInnen regelrecht abgestraft wird. Ihr verbleiben sechs Prozent von einst 15,4. Als allerkleinste Partei dürfen dann noch die adjektivlosen Liberalen von »Freiheit und Solidarität knapp über die Fünf-Prozent-Hürde springen, die Kommunisten scheiterten an ihr. Die Wahlbeteiligung lag bei 59 Prozent.

Wie nun die zukünftige Politik der Slowakei aussehen wird, darüber laufen die Einschätzungen auseinander. Den einen gilt Fico als Retter des Euro, weil er im Oktober 2011 der EU zur Seite gesprungen ist. Seine damalige Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm machte ein slowakisches Ja überhaupt erst möglich; die konservativ-liberale Koalitionsregierung hatte sich nicht darauf verständigen können. Andere sehen in ihm einen verkappten Linken, der sowohl innen- wie außenpolitisch abweichend von Brüsseler Vorgaben agieren könnte. Für beides gibt es Indizien.

Zwar lag der Zustimmung von Fico zum Rettungsschirm innenpolitisches Kalkül zugrunde, und immerhin erreichte er damit die samstäglichen Neuwahlen und den fulminanten Sieg seiner Smer; aber diese Zustimmung war auch ein Kniefall vor Brüssel und dem Bankkapital, das der Slowakei als eines der jüngsten Euroländer teuer zu stehen kommt. Andererseits spiegelt das Parteiprogramm der Smer ein für deutsche Beobachter linkeres Politikverständnis als das übliche sozialdemokratische wider. Da liest man vom Stopp aller Privatisierungen, einer Reichensteuer sowie einer Bankenabgabe, der Erhöhung von Krankenversicherungsbeiträge, einem speziellen Renditeverbot für private Krankenkassen und anderem mehr. Und außenpolitisch erinnert man sich der ersten Regierungszeit von Robert Fico (2006-2010), als slowakische Kontakte zu Russland, Kuba und Venezuela intensiviert worden waren.

Schon warnen liberale Stimmen davor, dass die sozialpolitischen Wahlversprechen Ficos die Staatsausgaben in die Höhe treiben und die Rating-Agenturen auf den Plan rufen könnten, um die Kreditwürdigkeit des Landes herabzustufen. Inwieweit sich Fico und seine Smer von solchen Drohungen beeindrucken lassen, daran wird man auch ermessen können, ob die zweite Amtszeit des 47-jährigen Juristen sich an in EU-Europa übliche sozialdemokratischen Paradigma anpassen wird oder nicht.

* Aus: neues deutschland, 12. März 2012


Ficos Messlatte

Von Olaf Standke **

Aufklären, verurteilen, einsperren!« skandierten in den Wahlkampfwochen Tausende Slowaken auf den Straßen des Landes, und gemeint war die politische Elite des Landes. Geheimdienstdokumente hatten ein riesiges Korruptionsnetz um Privatisierungen und staatliche Auftragsvergaben öffentlich gemacht, und die Abhörprotokolle legen die Verstrickung diverser Regierungspolitiker nahe. Vergessen war der eigentliche Anlass für die vorgezogenen Neuwahlen, der Streit um den Euro-Rettungsschirm, an dem die christlich-liberale Koalition zerbrach.

Die sozialdemokratisch orientierte Smer-Partei machte die Zustimmung des Parlaments erst möglich - und muss nun mit den finanziellen Folgen klar kommen. Denn so sehr auch der Kampf gegen Korruption den Kurs des zweiten Kabinetts unter Robert Fico prägen dürfte, gemessen wird er letztlich an der Frage, ob er seine sozialpolitischen Wahlversprechen hält. Denn eine der niedrigsten Verschuldungsquoten in der Euro-Zone wurde mit massiven Sparmaßnahmen zulasten der Bevölkerungsmehrheit erkauft. Das Durchschnittseinkommen liegt bei nur 800 Euro brutto im Monat, die Renten sind entsprechend mickrig. Trotz hoher Wachstumszahlen hat die Slowakei mit 14 Prozent zudem eine der höchsten Arbeitslosenraten in Europa. Und der oft als »Populist« gescholtene Fico kann sich bei dieser schwierigen Aufgabe hinter niemanden verstecken: Er regiert mit absoluter Mehrheit.

* Aus: neues deutschland, 12. März 2012 (Kommentar)


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