Die Angst geht um
Slowakei: Faschistische Überfälle auf Häuser von Roma an Stadträndern. Betroffene fordern Maßnahmen gegen Neonazis
Von Tomasz Konicz *
Nach Ungarn und Tschechien wächst nun auch in der Slowakei die Angst vor
Neonazis. Besonders betroffen ist die Roma-Bevölkerung. Etliche ihrer
Organisationen wandten sich nun mit einem dramatischen Appell an die
Regierung in Bratislava und an die Europäische Kommission in Brüssel. In
dem Schreiben aus der vergangenen Woche verlangten sie, endlich
entschieden gegen faschistische Umtriebe vorzugehen. »Die Angst, die wir
– die Roma – haben, wenn wir die Situation in den Nachbarländern Ungarn,
Italien und anderen Ländern der Europäischen Union betrachten, läßt uns
um unser Leben und das Leben unserer Kinder bangen, die wir in Schulen,
Geschäfte und auf Straßen schicken in Angst – nur, weil wir Roma sind«.
Eiskalte Planung
Tatsächlich gibt es viele Gründe zur Besorgnis. Inzwischen gehen auch
slowakische Neonazis dazu über, die Strategie ihrer in Ungarn und
Tschechien aktiven Gesinnungsfreunde zu kopieren: Mit provokativen
Aufmärschen vor Roma-Ghettos sollen ethnische Spannungen geschürt und
die als »Zigeuner« beschimpfte Minderheit zum Sündenbock in der sich
verschärfenden Wirtschaftskrise gestempelt werden. Mit diesem Vorgehen
waren die ungarische rechtsextreme Partei »Jobbik« mitsamt ihrer
paramilitärischen Formationen »Ungarische Garde« erfolgreich. Sie
erhielt bei den EU-Wahlen Anfang Juni sogar 15 Prozent der Stimmen. In
Tschechien kopiert die selbsternannte faschistische »Arbeiterpartei«
(Delnicka Strana –DS) diese Strategie der ethnischen Spannung.
Die Aufmärsche gehen mit eiskalt geplanten und ausgeführten Anschlägen
auf Roma einher, denen in Ungarn in den vergangenen Monaten acht
Menschen zum Opfer fielen. Dutzende wurden verletzt. Zumeist greifen die
Todesschwadronen dabei am Rande von Kleinstädten gelegene Häuser von
Roma mit Handgranaten, Molotowcocktails oder Feuerwaffen an. Jüngstes
Opfer ist eine 45jährige alleinerziehende Mutter, die in ihrem Haus in
der ungarischen Ortschaft Kisléta erschossen wurde. Ihre 13jährige
Tochter erlitt schwere Schußverletzungen und schwebt in Lebensgefahr.
Ähnliche Angriffe fanden bereits auch in Tschechien statt.
Am vergangenen Samstag (8. Aug.) wurde nun erstmals mit dem Dorf Sariske Michalany eine ostslowakische Ortschaft Schauplatz eines gegen die Roma
gerichteten Neonaziaufmarschs. An die 300 Rechte konnte die – kurzzeitig
verbotene – »Slowakische Gemeinschaft« (Slovenska Pospolitost) zu dem
nicht genehmigten Marsch mobilisieren, die sich nach der Verhaftung
ihres »Führers« Marian Kotleba erbitterte Straßenschlachten mit den
Polizeikräften lieferten. 30 Neofaschisten wurden im Zuge der
Auseinandersetzungen festgenommen. Auch in der Slowakei – wo die reale
Arbeitslosenrate inzwischen bei 14 Prozent liegen soll – geben
konservative Politiker den Stiefelfaschisten Flankenschutz. Der
ehemalige Innenminister und jetzige Vorsitzende der Konservativen
Demokraten der Slowakei (Konzervatívni demokrati Slovenska, KDS),
Vladimir Palko, forderte umgehend die Einführung einer
Kriminalstatistik, die nur von Roma begangene Verbrechen erfassen soll.
Unterstützung fanden die slowakischen Neonazis von Anhängern der
tschechischen Delnicka Strana, wie auch von ungarischen Rechtsextremen.
Insbesondere die Teilnahme ungarischer Faschisten an dieser Aktion
deutet auf die rasch voranschreitende internationale Verflechtung der
osteuropäischen rechtsextremen Szene, befinden sich doch die Regierungen
Ungarns und der Slowakei in einem Dauerkonflikt über die in der
Südslowakei lebende ungarische Minderheit. Der blinde Haß auf Juden und
Roma, wie auch die primitive, aus einem Untertanengeist geborene
Pseodokritik am – als »liberale Demokratie« halluzinierten –
Kapitalismus bilden den ideologischen Kitt, der es den Neonazis dieser
osteuropäischen Länder ermöglicht, über nationale Streitigkeiten hinweg
zu kooperieren.
Neonazi-Connection
Als weiteres Vorbild dienen den slowakischen und tschechischen
Rechtsextremen die deutschen »Autonomen Nationalisten« (AN).
Tschechische Faschisten nahmen an den letzten Neonaziumzügen in Dresden
und Leipzig teil, während deutsche AN-Faschisten bei einem Aufzug im
böhmischen Usti nad Labem dabei waren. Zu einem von der DS nach
deutschem Vorbild in Prag geplanten »Tag der Freiheit« sollen sogar
Vertreter der NPD geladen sein. Diese Kooperationsfähigkeit ihrer
deutschen Gesinnungsfreunde erkauften die tschechischen Neonazis mit
einer vorauseilenden Kollaborationswilligkeit. Die Neonaziorganisation
»Narodni Odpor« erklärte beispielsweise in einem kürzlich
veröffentlichten »Manifest«, die Benes-Dekrete nicht mehr anzuerkennen,
auf deren Grundlage die Umsiedlung der Sudetendeutschen aus der
westlichen Tschechoslowakei durchgeführt wurde.
* Aus: junge Welt, 14. August 2009
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