Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Slowenien ist anders

Ljubljana gilt als nächster Euro-Rettungskandidat. Vermutlich zu Unrecht. Ökonomische Eckdaten geben das nicht her, Regierung setzt auf Selbsthilfe

Von Rainer Rupp *

Hat die Euro-Zone bald den nächsten Krisenherd? Suggeriert wird dies der Öffentlichkeit jedenfalls. »Jetzt brennt Slowenien«, titelte diese Woche eine große Nachrichtenagentur über die kleine ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens (zwei Millionen Einwohner). Die ist seit 2004 Mitglied der EU und wurde 2007 in den Währungsverbund aufgenommen. Nun heißt es, die drei größten Banken des Landes seien von faulen Krediten schwer belastet. Insgesamt sieben Milliarden Euro hatten die Nova Ljubljanska Banka (NLB), die Nova Kreditna Banka Maribor (NKBM) und die Abanka Vipa während der Boom-Periode zur Finanzierung von Immobilienkrediten aufgebracht. Das sind etwa 20 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung der Republik (Bruttoinlandsprodukt, BIP). Von den Hypothekennehmern sollen derzeit 19 Prozent mit den Zinszahlungen im Rückstand sein. Das Problem sei, die drei großen Institute repräsentieren zwei Drittel des slowenischen Bankensektors – und sie sind noch im staatlichem Besitz.

Ja, das Land hat wirtschaftliche Sorgen. 2009 hatte die westliche Finanzkrise auch das bis dahin prosperierende Slowenien eingeholt. Um fünf Prozent ging die Wirtschaftsleistung zurück. In den darauffolgenden zwei Jahren stabilisierte sich – ähnlich wie in Deutschland, wo 2009 das BIP um 4,7 Prozent eingebrochen war – die Lage. 2010 wurde von der EU-Statistikbehörde Eurostat ein Wachstum von 1,6 Prozent gemeldet, 2011 immerhin noch 0,6 Prozent. Der kleine Aufschwung endete 2012 – um 2,3 Prozent schrumpfte da das BIP, und für 2013 wird ein Rückgang um zwei Prozent prognostiziert.

Mit der Zuspitzung der Euro-Krise brach auch die Nachfrage nach slowenischen Exportgütern ein. Dennoch ist die miese Entwicklung der letzten Jahre zu einem großen Teil dem Beitritt zur Euro-Zone 2007 geschuldet. Ähnlich wie andere »Problemstaaten« konnte sich das Land nicht mehr durch entsprechende geldpolitische Maßnahmen vom westlichen Krisengeschehen und dem »Spardruck« aus Brüssel abschirmen. Nun droht auch den Staatsbanken die Insolvenz, wenn ihnen nicht schnellstens eine Kapital­umstrukturierung gelingt. Für die sind laut einigen Experten zwischen 1,5 und drei Milliarden Euro erforderlich.

In der Hauptstadt Ljubljana neigt man zur Selbsthilfe: Die Chefin der linksliberalen Regierung, Ministerpräsidentin Alenka Bratusek, will das Land ohne äußere »Unterstützung« durch die Bankenkrise steuern.

Die Regierung weiß, ein »Hilferuf« an EU und Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfte eine Dynamik in Gang setzen, in deren Verlauf auch sie zu brutalen sozialökonomischen Maßnahmen gezwungen würde. Die Beispiele Portugal, Griechenland und Zypern schrecken ab. Das würde auch die Wirtschafts- und Sozialstruktur des Landes zerstören: Nach dem Austritt aus der föderalen Republik Jugoslawien im Jahr 1991 ist es den Slowenen gelungen, bis heute die staatliche Dominanz in vielen Bereichen des Wirtschafts- und Finanzsystems sowie des Sozialwesens beizubehalten. Im Gegensatz zu anderen Staaten Osteuropas blieb es auch von den wilden Privatisierungsorgien und dem Ausverkauf seiner Wirtschaft an westliche Konzerne weitgehend verschont. Dieser Umstand wird in der aktuellen Ausgabe des CIA-Handbuchs den Slowenen als schweres Versäumnis angekreidet. Für die Entwicklung der nördlichsten Republik Exjugoslawiens war es jedoch der Grundstein für ein fulminantes Wirtschaftswachstum in der Zeit von 1992 bis 2008, der ihr den Beinamen »Schweiz des Balkans« einbrachte. Dort wird also bis heute an manch bewährten Strukturen festgehalten – was vielen in Brüssel und Washington nicht paßt. Mit der Liquiditätskrise der slowenischen Staatsbanken scheint eine Gelegenheit gekommen, das Land endlich auf Privatisierungskurs zu zwingen.

Die Zinssätze für zehnjährige Staatsanleihen steigen – doch das ist den wirtschaftlichen Eckdaten nach nicht gerechtfertigt. Das Verhältnis von Staatsschulden zu BIP ist eines der günstigsten in der Euro-Zone. Die Verbindlichkeiten liegen knapp über 50 Prozent des BIP. Auch die in den Medien leichtfertig oder in manipulativer Absicht gezogenen Vergleiche mit Zypern sind falsch. Die Aktiva der zyprischen Banken sind achtmal höher als das BIP des Landes, während die der slowenischen Banken nur 1,3mal höher sind. Zudem ist Slowenien kein Steuerparadies mit Zockerbanken.

Dennoch muß der Staat seit der vergangenen Woche 6,15 Prozent zahlen. Damit liegen sie nur knapp unter dem Niveau von 6,49 Prozent für Portugal, das bereits am Finanztropf der Troika (EU, EZB, IWF) hängt und unter deren Kürzungsdiktat steht. Zugleich schüren die Ratingagenturen, die sich weitgehend im Besitz von privatisierungshungrigen Hedgefonds befinden, das Feuer. So hat Branchenriese Moody’s vor zwei Wochen die Kreditwürdigkeit der slowenischen NLB-Bank herabgestuft und in der vergangenen Woche die der NKBM-Bank.

* Aus: junge Welt, Samstag, 6. April 2013


Zurück zur Slowenien-Seite

Zurück zur Homepage