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Staatsfirmen à la Carte

Slowenien beugt sich der Finanznot und dem Druck Brüssels. Mehr als ein Dutzend großer Unternehmen stehen vor Privatisierung

Von Tomasz Konicz *

In Slowenien beginnt der große Ausverkauf. Etwa 15 in Staatsbesitz oder unter Staatskontrolle stehende Großunternehmen will die Regierung von Ministerpräsidentin Alenka Bratusek demnächst veräußern. Damit will sie eine Eskalation der Schuldenkrise in der postjugoslawischen Republik verhindern. Unter den zum Notverkauf stehenden Unternehmen finden sich auch einige Industrieikonen, wie der Wintersportartikelhersteller Elan. Hinzukommen unter anderem die Fluggesellschaft Adria Airways, der Telekommunikationskonzern Telekom Slovenije, der Flughafenbetreiber Aerodrom Ljubljana oder der Laserhersteller Fotona.

Nach Schätzungen des US-Finanzkonzerns Citigroup könnte die Veräußerung der Staatsanteile an diesen Betrieben dem Fiskus 500 bis 750 Millionen Euro einbringen. Dabei gebe es laut Wall Street Journal (WSJ) ein weitaus größeres Privatisierungspotential. Der Staat sei an »mehr als 80 Unternehmen« beteiligt. Aber vermutlich ist der Enthusiasmus der Notprivatisierer nicht allzu groß. »Ich denke es herrscht weiterhin Widerwilligkeit beim Verkauf des Familiensilbers vor«, beschreibt ein Londoner Banker die Haltung Ljubljanas im WSJ. Die Neue Zürcher Zeitung machte gar eine anhaltende »Staatsgläubigkeit« in dem Zwei-Millionen-Einwohner-Land aus, hinter der die »Furcht vor einem »Ausverkauf« stehe.

Tatsächlich ist Slowenien im postsozialistischen Osteuropa eine Ausnahme. Dort war die Privatisierung in den 90er Jahren nicht überstürzt worden und westliche Konzerne kamen kaum zum Zuge. Statt dessen bildete sich eine Kaste staatskapitalistischer Manager, die die Kontrolle über viele Schlüsselbetriebe der wirtschaftlich am weitesten entwickelten ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik übernommen hatte. Mehrheitlich im Staatsbesitz befindliche Unternehmen sollen 2011 einen Gesamtwert von umgerechnet 8,8 Milliarden Euro aufgewiesen haben, das waren in etwa 24 Prozent der damaligen Jahreswirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt; BIP). Jeder achte Beschäftigte arbeitet im Lande für »Vater Staat«.

Dieser staatskapitalistische Sektor hatte sich als ebenso anfällig für die Euro-Krise erwiesen wie die Wirtschaft in den anderen Krisenländern. Schon 2011 belasteten hohe Schulden vieler Staatsbetriebe den Haushalt mit einem zusätzlichen Defizit von 1,4 Prozent des BIP. Bereits zu dieser Zeit schwoll das Defizit auf 6,4 Prozent an (offiziell sind bis drei Prozent in EU und Euro-Zone erlaubt). Inzwischen summieren sich die gesamten Verbindlichkeiten der Staatsbetriebe auf 30 Prozent des BIP.

Dramatisch ist die Lage im – ebenfalls von Staatsbanken dominierten – Finanzsektor. Hier summiert sich allein das Volumen der »faulen«, also von den Schuldnern nicht mehr bedienten, Kredite auf sieben Milliarden Euro (rund 20 Prozent des BIP). Wegen fortdauernder Rückstellungen, Abschreibungen und Risikovorsorgemaßnahmen, beliefen sich die Verluste des gesamten Bankensektors allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres auf weitere 108 Millionen Euro.

Es waren die Rettungsversuche der Regierung, die neusten Prognosen zufolge das Haushaltsdefizit auf den diesjährigen europäischen Rekordwert von 7,9 Prozent des BIP anschwellen lassen werden. Rund 1,2 Milliarden Euro mußte Ljubljana jüngst zur Stützung der Nova Ljubljanska Banka und der Nova Kreditna Banka Maribor aufwenden. Im Vorjahr betrug lag das Defizit Sloweniens bei nur vier Prozent des BIP. Der Unterschied zum Krisenverlauf anderswo, wie etwa in Irland, besteht einzig darin, daß die Verluste nicht noch erst mühsam sozialisiert werden müssen.

Selbstverständlich wird auch Slowenien von Brüssel und Berlin bedrängt, denselben »Sparkurs« zu verschärfen, der in allen anderen Euro-Krisenstaaten scheiterte. Kürzungen im Sozialsektor, Einkommensverluste im öffentlichen Dienst, die Anhebung des Rentenalters und die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent führen zu dem üblichen Nachfrageeinbruch, der die Rezession vertieft und prolongiert. Zugleich werden die Unternehmenssteuern schrittweise bis 2015 von 20 auf 15 Prozent gesenkt. Die global tätige Beratungsgesellschaft Ernst & Young rechnet in diesem Jahr mit einem Sinken des BIP um 4,9 Prozent, wobei sich dieser Trend auch 2014 fortsetzen werde. Die Arbeitslosigkeit, die bereits bei 9,6 Prozent liegt, soll im kommenden Jahr auf 14 Prozent anwachsen. Das ist den Brüsseler Krisenmanagern nicht genug: Zuletzt wurde Ljubljana im Juli auf der Sitzung der Euro-Gruppe ermahnt, daß die »bisherigen Defizitbemühungen unzureichend« seien, weshalb man »effektivere Maßnahmen« erwarte.

Während Brüssel hier den »bösen Bullen« spielt, versuchte es Angela Merkel Mitte Juli beim Antrittsbesuch Bratuseks mit Zuckerbrot. Die Kanzlerin lobte ausdrücklich die slowenischen Reformbemühungen und erklärte auf Journalistennachfragen, die Regierung dort wisse selbst, was zu tun sei. Ganz uneigennützig waren die rhetorischen Streicheleinheiten freilich nicht: »Von deutscher Seite gebe es Interesse, daß auch deutsche Unternehmen bei der geplanten Privatisierung von Staatsunternehmen in Slowenien zum Zuge kämen, « faßte etwa die Deutsche Welle Merkels Fingerzeig zusammen. »Deutschland sei im Gegenzug offen für slowenische Unternehmen, die sich hier niederlassen wollten, « so das großzügige Angebot der CDU-Politikerin.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 15. August 2013


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