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Miro Cerar verkauft das Tafelsilber

Auch Sloweniens neuer Hoffnungsträger setzt auf einen harten Sparkurs und Privatisierungen

Von Thomas Roser, Belgrad *

Politikneuling Miro Cerar hat jetzt als vierter Premier in nur drei Jahren die Regierung Sloweniens übernommen.

Manchmal ist ausgerechnet aller Anfang relativ leicht. Nach seinem erfolgreichen Dienstantritt sah Sloweniens hagerer Hoffnungsträger Miro Cerar dieser Tage guten Grund, die Sektgläser klirren zu lassen. Mit 54 zu 25 Stimmen hatte das Parlament in Ljubljana zuvor der Einsetzung der vierten Regierung in nur drei Jahren seinen Segen gegeben. Selbst zwei Abgeordnete der Opposition votierten am späten Donnerstagabend für die neue Mitte-links-Koalition aus Cerars erst in diesem Jahr gegründeten Partei SMC, der Rentnerpartei (DeSUS) und der sozialdemokratischen SD.

Diese »starke Koalition« habe sich verpflichtet, Slowenien aus der Krise zu führen und dem Land zu Stabilität und einer »höheren Politikkultur« zu verhelfen, so der politische Seiteneinsteiger. Ansonsten hielt sich der prominente Verfassungsjurist mit pflichtschuldigen Versprechen nicht lange auf. Bis nächstes Jahr müsse das Defizit von 4,2 auf drei Prozent reduziert werden, kündigte Cerar die Fortsetzung der Sparpolitik der letzten Regierung an. Die vorgezogenen Neuwahlen waren durch den Rücktritt der von ihrer eigenen Partei ausgebooteten Regierungschefin Alenka Bratusek notwendig geworden. Sie wird ihr Land nun in der neuen EU-Kommission in Brüssel vertreten und den Bereich Energie übernehmen.

»Wir müssen die Staatsausgaben senken – und die Effizienz der Steuererhebung erhöhen«, so Cerars Botschaft. Obwohl es Zeichen der Erholung in der angeschlagenen Wirtschaft gebe, bereiteten die hohen Staatsschulden und das Haushaltsdefizit Sorgen. Mit seinem etwas vagen Versprechen eines »anderen Wegs«, »sachlicher Politik« und einer »innovativen Krisenbewältigung« hatten der 50-jährige Juraprofessor und seine erst einen Monat zuvor etablierte SMC die vorgezogenen Parlamentswahlen im Juli mit 34,5 Prozent der Stimmen klar für sich entschieden.

Seinem Versprechen, vor allem Fachleute statt Politiker zu Ministern zu küren, ist die Partei zwar nachgekommen. Doch angesichts der leeren Staatskassen muss Sloweniens neuer Premier wie alle frühzeitig gescheiterten Vorgänger der letzten Jahre auf eine Politik der enger geschnallten Gürtel setzen. Er sieht kaum eine Alternative zur angestrebten Verminderung der Ausgaben und zum Verkauf von Staatsbetrieben, um den riesigen Schuldenberg des Eurolandes abzubauen.

Hatte Cerar nach seinem Wahlsieg noch gelobt, Schlüsselunternehmen von einer Privatisierung auszunehmen, will er nun genau die 15 Staatsbetriebe verkaufen, deren Privatisierung schon seine Vorgängerin Bratusek eingeleitet hatte. Anfang September hat bereits der Betreiber des Frankfurter Flughafens die Mehrheitsbeteiligung am größten Flughafen Sloweniens nahe der Hauptstadt Ljubljana gekauft. Für 75,5 Prozent der vom Staat gehaltenen Anteile zahlt Fraport 177,1 Millionen Euro. Bis Jahresende könnte noch die Privatisierung der Telekom Slovenije, des Nahrungsmittelkonzerns Zito und des Skiherstellers Elan in trockene Tücher gebracht werden.

Noch im vergangenen Jahr schien das Land am Rande des Staatsbankrotts zu taumeln. Der zuletzt spürbar anziehende Export dürfte Slowenien zwar in diesem Jahr erstmals seit 2009 wieder ein leichtes Wachstum von 0,8 Prozent bescheren. Doch über den Berg ist der wegen der leichtfertigen Kreditvergabe seiner Staatsbanken tief in die Krise geratene Alpenstaat noch lange nicht. Zumal der Stopp großer Infrastrukturprojekte wie der Ausbau der Schienenanbindung des Adriahafens Koper bei Cerars linken Koalitionspartnern genauso auf Vorbehalte stößt wie weitere Einschnitte bei den Sozialausgaben.

Sowohl das Regierungsbündnis als auch Cerars SMC seien keineswegs homogen, warnen Kritiker bereits. Mit harten Konflikten innerhalb der Koalition rechnet denn auch die Zeitung »Dnevnik«, die von einer »unmöglichen Mission« für Cerar spricht. Es sei zu wünschen, dass die Regierung als gut eingespieltes Team unter einem Trainer »mit klarer Vision« aufspielen werde, meint hingegen die liberale »Delo«: »Aber es warten auf sie unaufschiebbare Entscheidungen. Sie wird nicht wie gewohnt 100 kritiklose Tage zur Einarbeitung haben.«

* Aus: neues deutschland, Dienstag 23. September 2014


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