Friedensabkommen in Somalia
Übergangsregierung und Union Islamischer Gerichte erzielen ersten Verhandlungserfolg
Von Thomas Berger *
Unter Vermittlung der Arabischen Liga haben die somalische Übergangsregierung und die
einflussreiche Union Islamischer Gerichte (UIC) ein Friedensabkommen unterzeichnet. Das nährt die
Hoffnung auf ein Ende des 16-jährigen Bürgerkriegs.
Es ist ein erster Schritt auf einem langen Weg. Die am Montagabend in Khartum zwischen der
somalischen Übergangsregierung und der Union Islamischer Gerichte (UIC) ausgehandelte
Vereinbarung sieht im Kern die Schaffung einer einheitlichen Armee vor, in der die Truppen der
Übergangsregierung und die Milizen der UIC zusammengeführt werden sollen, wie Teilnehmer der
Gespräche berichteten. Außerdem hätten beide Seiten vereinbart, nach Ablauf des muslimischen
Fastenmonats Ramadan Ende Oktober über eine Aufteilung der politischen Macht zu verhandeln.
Die Islamisten herrschen derzeit über weite Teile der Hauptstadt Mogadischu und Südsomalias, die
international anerkannte Übergangsregierung ist weitgehend machtlos.
Die Verhandlungsführer beider Seiten äußerten nach der Unterzeichnung in der Hauptstadt Sudans
die Hoffnung, dass Krieg und Gewalt nach 16 Jahren nun ein Ende nähmen. Das Abkommen werde
»den Weg für eine Befriedung Somalias freimachen«, sagte Ibrahim Hassan Addow, der die
Delegation der Islamisten führte. Seine Bewegung werde die Vereinbarung einhalten und umsetzen.
Für die Regierungsseite sagte Vize-Ministerpräsident Abdullahi Scheich Ismail: »Die Somalier sind
des Krieges müde.« Nun sei eine Chance zum Frieden gekommen, die ergriffen werden müsse.
Das Friedensabkommen sieht des weiteren vor, dass die beteiligten Parteien auf militärische
Unterstützung aus dem Ausland verzichten. Hintergrund ist der Vorwurf der Islamisten, die
Übergangsregierung lasse sich von äthiopischen Soldaten schützen. Diese beschuldigt wiederum
die islamischen Milizen, von Äthiopiens Erzfeind Eritrea militärische Unterstützung anzunehmen. Die
befürchtete neue Eskalation scheint durch das Abkommen nun erstmal vom Tisch zu sein.
Im Oktober gilt es indes, die schwierige Frage der Machtaufteilung anzugehen. Eine Frage, die seit
dem Sturz des Diktators Mohamed Siad Barre 1991 unbeantwortet blieb. Jeder der Clans kämpfte
seitdem in unterschiedlichen Allianzen, die nicht von langer Haltbarkeit waren, gegen die jeweils
anderen. Die Vereinten Nationen hatten 2004 im kenianischen Nairobi zumindest eine
Übergangsadministration auf den Weg gebracht, die nahezu alle zu dieser Zeit wichtigen Gruppen
einschloss. Ein 100-köpfiges Mammutkabinett sollte dazu dienen, jeder Miliz und jedem der
unzähligen Warlords Präsenz zu geben.
So richtig aufgegangen ist dieses Konzept nicht, denn die internen Machtkämpfe und
Meinungsverschiedenheiten setzten sich fort. Zudem ist auch der Einfluss der Übergangregierung
unter Präsident Abdullah Yusuf auf das Gebiet um die Kleinstadt Baidoa beschränkt. Nachdem
zahlreiche Minister aus Protest gegen Premier Mohamed Ali Gehdi zurückgetreten waren, ist nun ein
um zwei Drittel verkleinertes Kabinett gebildet worden. Was bleibt, ist der Fakt, dass die derzeit
mächtigste Gruppierung im Land in diesem Gremium nicht vertreten ist. Die Union Islamischer
Gerichte, die die Hauptstadt Mogadischu und weite Teile des Südens mit ihren Milzen kontrolliert,
will sich nur unter bestimmten Voraussetzungen einer Oberhoheit beugen.
Nach außen hin sind die Vertreter beider Seiten erst einmal mit dem erklärten Willen nach Khartum
gereist, in der sudanesischen Hauptstadt tatsächlich zu einem Vertrag über die künftige
Machtverteilung zu kommen. Sharif Hassan Adan, der Chef der Regierungsdelegation, betonte,
dass alle Beteiligten sich zumindest in dem Bemühen einig seien, eineinhalb Jahrzehnte Chaos und
Verwüstung hinter sich zu lassen. Die UIC-Vertreter zeigten sich ebenfalls optimistisch. Die
überraschend schnelle Einigung auf ein Friedensabkommen gibt diesem Optimismus neue Nahrung.
Doch die somalische Vergangenheit lehrt Skepsis.
* Aus: Neues Deutschland, 6. September 2006
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