UN-Resolution mit vielen Fragezeichen
Somalia: Blauhelmtruppe in Aussicht gestellt. Entscheidung über deren Einsatz aufgeschoben
Von Knut Mellenthin *
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am Freitag (16. Januar) einstimmig eine
Resolution verabschiedet, die die Entsendung einer UN-Truppe nach Somalia in Aussicht stellt, ohne sich jedoch definitiv festzulegen. Neben den USA, die sich öffentlich am stärksten für einen solchen Schritt einsetzen, war der Antrag auch von Burkina Faso, Burundi, Libyen, Uganda, der Türkei und - als ehemalige Kolonialmacht Somalias - Italien eingebracht worden.
Die jetzt verabschiedete Entschließung ähnelt früheren Beschlüssen, die folgenlos geblieben sind. Erstmals hatte der Sicherheitsrat den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am 20. August 2007 beauftragt, die Optionen für eine Peacekeeping-Mission in Somalia zu prüfen und dazu regelmäßig Berichte vorzulegen. Die Diskussionsbeiträge am Freitag zeigten erneut, daß - abgesehen von den USA und den afrikanischen Staaten - die Aussichten einer UN-Intervention in Somalia von den meisten Ratsmitgliedern sehr skeptisch bewertet werden.
Die neue Resolution (englisch und deutsch):
Dieser Lage war auch der eingebrachte Antrag angepaßt worden. In der Hauptsache bekräftigt und erneuert die Resolution die Unterstützung des Sicherheitsrats für die seit Anfang 2007 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu stationierte Truppe der Afrikanischen Union, AMISOM, um ein halbes Jahr. Die AU selbst hat das Mandat der Truppe allerdings nur bis zum 16. März verlängert und zugleich die Forderung gestellt, daß nach diesem Zeitpunkt die UNO zumindest eine Übergangslösung auf dem Weg zu einer breiter getragenen Friedenstruppe anbieten muß.
AMISOM war bei ihrer Gründung vor zwei Jahren auf eine Stärke von 8000 Mann geplant, besteht aber bisher nur aus insgesamt 3200 ugandischen und burundischen Soldaten. Ihr Einsatz beschränkt sich auf Mogadischu und besteht im Schutz des Präsidentenpalastes, des Hafens und des Flughafens der Hauptstadt. Nach dem in der vergangenen Woche abgeschlossenen Abzug der äthiopischen Interventionstruppen aus Mogadischu soll AMISOM deren Aufgaben übernehmen, wozu aber weder ihre derzeitige Stärke noch ihr bisheriger Auftrag ausreichen. Die am 16. Januar verabschiedete Sicherheitsratsresolution 1863 appelliert an die afrikanischen Staaten, AMISOM doch noch auf die Planstärke von 8000 Mann zu bringen, und verspricht gleichzeitig finanzielle und logistische Unterstützung. Diese Zusagen gibt es allerdings schon seit Gründung der Truppe, ohne daß sie eingelöst wurden.
Die Resolution fordert außerdem Ban Ki Moon auf, bis zum 15. April Vorschläge vorzulegen, wie AMISOM durch eine von der UNO mandatierte Truppe ersetzt werden könnte. Auf dieser Grundlage soll der Sicherheitsrat dann am 1. Juni eine Entscheidung treffen, ob die Voraussetzungen für eine Peacekeeping-Mission gegeben sind.
So weit war der Rat allerdings auch schon vor zwei Jahren. Nachdem die äthiopischen Soldaten geschlagen aus Mogadischu abgezogen sind, scheint vorerst niemand, nicht einmal die USA, daran interessiert, sich an einer Militärintervention in Somalia zu beteiligen oder gar die Führung eines solchen Unternehmens zu übernehmen.
* Aus: junge Welt, 19. Januar 2009
Neues Machtvakuum in Somalia
Äthiopiens Abzug löst Freude und Kämpfe aus
Von Anton Holberg **
Die letzten äthiopischen Truppen
haben Somalia verlassen. Der Abzug ist Teil des Waffenstillstandsabkommens zwischen der
Übergangsregierung und Teilen der Opposition. Doch Frieden ist nicht in Sicht.
Der Abzug der verhassten Äthiopier vergangene Woche wäre für einen Großteil der Bevölkerung ein
Grund zum Feiern. Doch die Freudenfeste in Mogadischu wurden von Kämpfen überschattet, denen
Dutzende Menschen zum Opfer fielen. Nicht viele wetten auf einen schnellen Frieden, auch wenn
Abdirahim Isse Adow, Sprecher der Union der Islamischen Gerichte (UIC), dazu aufrief, nach dem
Abzug der Äthiopier am Frieden in dem Krisenstaat zu arbeiten. Viel mehr spricht für Machtkämpfe
zwischen islamischen Milizen, denen der einigende Erzfeind nun fehlt. Ein Sprecher der
radikalislamischen Al Schabab-Miliz kündigte eine Fortsetzung des Kampfes und Angriffe auch auf
die Friedenshüter der Afrikanischen Union (AU) an, die das von den Äthiopiern hinterlassene
Machtvakuum schließen sollen.
Die 3400 Mann starke AU-Friedenstruppe, die von Uganda und Burundi gestellt wird, soll als
Ordnungsmacht wirken. Sie gilt aber als zu schwach, um Gewalt wirksam einzudämmen. Die USA
und die Vereinten Nationen bemühen sich bisher mit wenig Erfolg um eine Aufstockung. Kein
Wunder, denn die von den USA im Zusammenhang mit ihrem »Krieg gegen den Terror« 2006
eingefädelte äthiopische Militäroperation hat schlimme Folgen gezeitigt: Unter dem Vorwand, die
UIC-Regierung sei eine Art Al-Qaida-Regierung, wurde eine Zentralmacht gestürzt, die dem Land 15
Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs aller gegen alle erstmals ein Mindestmaß an Stabilität gegeben
hatte.
Die anschließenden Kämpfe zwischen dem sich formierenden Widerstand und dem »äthiopischen
Erzfeind« und dessen Marionettenregierung forderte nicht nur rund 16 000 Tote und über eine
Million Flüchtlinge. Er radikalisierte große Teile des Widerstands derart, dass nun in der Tat Al-
Qaida-nahe Kräfte in Gestalt der Al-Shabab-Miliz eine Bedeutung erlangten, die sie unter der UICHerrschaft
keineswegs hatten.
Überdies griff nach dem neuerlichen Zusammenbrechen der Zentralmacht die Piraterie um sich.
Ehemalige Fischer, deren Fanggründe seit Beginn der 90er Jahre von internationalen Flotten illegal
leergefischt und als kostenloses Mülllager genutzt wurden, kaperten über 110 Schiffe – und schufen
den Vorwand für verstärkte militärische Präsenz von USA, EU, Russland, China...
Schließlich ist nun auch die Opposition gespalten. Ein in Djibouti sitzender Teil der UIC war zu
einem Abkommen mit der Übergangsregierung TFG bereit, während die Shabab und der im
eritreischen Exil weilende Teil der UIC das ablehnt. Blutige Auseinandersetzungen zwischen
islamistischen Milizen sind die Folge. Wenig spricht dafür, dass sich das bald ändert.
** Aus: Neues Deutschland, 19. Januar 2009
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