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Somalia hat wieder Hoffnung

Neuer Präsident Scheich Scharif Achmed will das tief gespaltene Land versöhnen

Von Marc Engelhardt, Nairobi *

Vor zwei Jahren wurde er aus Somalia vertrieben, jetzt soll er den Frieden bringen: Auf den moderaten Islamführer Scheich Scharif Achmed konzentrieren sich derzeit alle Hoffnungen – angefangen beim UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon: »Ich verlasse mich auf Sie.«

Fürs Erste haben sich die Zeiten rund um Somalia gewandelt: Hätte der somalische Islamführer Scheich Scharif Ahmed sich in der Vergangenheit in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba blicken lassen, wäre er sofort verhaftet und eingekerkert worden. Scharif galt bislang als Feind Äthiopiens. Doch seit der Nacht zum Samstag (31. Jan.) ist er frisch gewählter somalischer Präsident. Und als solcher wurde Scharif vom Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Äthiopien mit begeistertem Applaus begrüßt.

»In Somalia gibt es wieder einen Hoffnungsschimmer«, freute sich AU-Generalsekretär Jean Ping. »Ich verlasse mich auf Ihre weise und visionäre Führerschaft«, gab UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dem studierten Geografielehrer Scharif (42) mit auf den Weg. Ganz so freundlich dürfte der Empfang in der Heimat nicht ausfallen. Scharifs ehemalige Kampfgenossen, die radikalen Islamisten der Schabaab-Miliz, haben bereits Widerstand gegen seinen moderaten Flügel der »Allianz zur Wiederbefreiung Somalias« angekündigt, der nach Friedensgesprächen im Nachbarland Dschibuti jetzt an Parlament und Regierung beteiligt ist.

»Unser ehemaliger Anführer arbeitet mit unserem Todfeind Äthiopien zusammen, das ist ein Verrat an uns und am ganzen Islam«, wetterte der Führer der Schabaab-Miliz in Kismayo, Scheich Hayakalah. »Wir werden Scharif bekämpfen, wo immer es geht.« Doch während am bisherigen Sitz des Parlaments in der Stadt Baidoa, die ebenfalls von Schabaab-Extremisten gehalten wird, Proteste gegen Scharifs Wahl stattfanden, wurde in Mogadischu gefeiert.

»Lang lebe Scheich Scharif«, riefen Tausende Demonstranten, die sich in der umkämpften Hauptstadt unter Lebensgefahr versammelten. Viele in Mogadischu haben Scheich Scharif Ahmed als Anführer der »Union islamischer Gerichtshöfe« in guter Erinnerung. Zwischen Mitte und Ende 2006 sorgte Scharifs Regierung zum ersten Mal seit der Flucht des Diktators Siad Barre 1991 für eine Art Stabilität im Land. Scharif ließ Straßensperren abbauen, verbot die gefürchteten Kleinarmeen der Warlords und stoppte sogar die Piraterie vor Somalias Küste.

Dass Scharif zeitgleich Diebe zu Tode steinigen ließ, Fernsehen und Tänze verbot, nahmen ihm im Nachhinein nur noch Wenige übel. Denn seit Äthiopiens Truppen Scharif Ende 2006 vertrieben, ging es steil bergab. Mehr als 10 000 Menschen starben bei den Gefechten mit Untergrundkämpfern, Hunderttausende wurden vertrieben, Millionen leiden Hunger. Überdies griff nach dem neuerlichen Zusammenbrechen der Zentralmacht die Piraterie um sich. Ehemalige Fischer, deren Fanggründe seit Beginn der 90er Jahre von internationalen Flotten illegal leergefischt und als kostenloses Mülllager genutzt wurden, kaperten über 110 Schiffe – und schufen den Vorwand für verstärkte militärische Präsenz von USA, EU, Russland, China...

Berichte aus Zentralsomalia belegen, dass Scharif sich mit seinen ehemaligen Feinden tatsächlich versöhnt hat: Dort hat die äthiopische Armee, die offiziell ihren Rückzug angetreten hat, die strategisch wichtige Stadt Kala Beyr eingenommen. In einem seiner ersten Interviews lobte Scharif zudem Äthiopiens engste Unterstützer in Sachen Somalia: »Die USA sind eine wichtige Macht für den Frieden«, sagte Scharif der ägyptischen Tageszeitung »Al Schorouk«. Zum Frieden soll auch die 3400 Mann starke AU-Friedenstruppe beitragen, die von Uganda und Burundi gestellt wird. Sie gilt aber als zu schwach, um Gewalt wirksam einzudämmen.

Deswegen steht Scharif nach seiner Ankunft in Mogadischu, die in den kommenden Tagen erwartet wird, vor seiner ersten Bewährungsprobe. Er muss seine Regierung benennen, ohne sich bei den zerstrittenen Clans in Somalia neue Feinde zu machen. Zugleich dringen internationale Geberländer auf eine kompetente Mannschaft, die in der Lage ist, mit den Radikalen Frieden zu schließen – ein schwieriger Spagat.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Februar 2009


Friedenssoldaten verursachen Massaker

Feuer auf Zivilisten in Mogadischu eröffnet

Von Knut Mellenthin **

Nach Berichten von Augenzeugen und somalischen Offiziellen hat die afrikanische Friedenstruppe AMISOM am Montag (2. Feb.) ein Blutbad in Mogadischu verursacht. Ugandische Soldaten sollen nach der Explosion einer Straßenmine, die eines ihrer Fahrzeuge beschädigte, wild um sich geschossen haben. Dabei sollen sie mindestens 20 Menschen, nach anderen Aussagen über 30, getötet haben. Hauptsächlich handelte es sich um Fahrgäste mehrerer Minibusse.

Ein Sprecher von AMISOM bestritt die Berichte kategorisch. Lediglich durch die Explosion der Mine seien drei Zivilisten getötet und ein Soldat verletzt worden. »Keiner unserer Soldaten hat das Feuer eröffnet.« Das Massaker wird jedoch unter anderem durch einen hohen somalischen Polizeioffizier und vom stellvertretenden Bürgermeister der Hauptstadt, Abdifatah Schaweje, bestätigt. Die Fahrer mehrerer Krankenwagen sagen aus, daß sie insgesamt 25 Tote abtransportierten.

Es wäre der erste Vorfall dieser Art, in den AMISOM verwickelt ist, und würde deren Beziehungen zur somalischen Bevölkerung schwer belasten. In der Vergangenheit hatte es zahlreiche Zwischenfälle dieser Art mit den äthiopischen Interventionstruppen gegeben, die im Januar aus Somalia abgezogen wurden.

AMISOM hat derzeit etwa 3200 Soldaten, die je zur Hälfte aus Uganda und Burundi kommen. Ihr Einsatz ist bisher auf Mogadischu beschränkt und besteht im Schutz des Präsidentenpalastes, des Hafens und des Flughafens. Im Gegensatz zu den äthiopischen Truppen, die im Verlauf ihrer Intervention ganze Bezirke der Hauptstadt mit schwerer Artillerie und Panzern in Trümmern legten, hat AMISOM bisher keine offensiven Operationen durchgeführt. Da die afrikanische Friedenstruppe nach dem Abzug der Äthiopier die Hauptstütze der Regierung ist, gibt es Vorstellungen, in ihren Auftrag auch Offensivoperationen einzubeziehen und ihre Bewaffnung entsprechend zu verstärken.

** Aus: junge Welt, 4. Februar 2009


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