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Kein Frieden für Somalia

Bislang blutigste Kämpfe zwischen äthiopischen Truppen und islamistischer Miliz

Von Knut Mellenthin *

Im Südwesten Somalias sind am Wochenende bei einem Gefecht zwischen äthiopischen Invasionstruppen und Kämpfern der fundamentalistischen Al-Schabab über 100 Menschen ums Leben gekommen. Die etwa dreistündige Konfrontation hatte am frühen Sonnabend morgen (10. März) mit einem Angriff der Islamisten auf äthiopische Stellungen beim Dorf Jurkut in der Region Gedo begonnen. Dort befindet sich ein wichtiger Punkt der Nachschublinie zur somalischen Stadt Baidoa, die im Februar von äthiopischen Streitkräften erobert worden war.

Über die Opfer des Gefechts gibt es widersprüchliche Angaben beider Seiten. Ein Sprecher der Islamisten behauptete, 73 äthiopische Soldaten seien getötet worden, während Al-Schabab nur fünf Mann verloren habe. Mit den Äthiopiern verbündete somalische Kreise nannten für die getöteten Islamisten Zahlen zwischen 48 und 130. Augenzeugen berichteten, daß sie »Dutzende« Leichen beider Seiten am Schauplatz des Gefechts gesehen hätten.

Nach allgemeiner Einschätzung handelte es sich um die blutigsten Kämpfe seit dem Einmarsch äthiopischer Truppen im November vorigen Jahres. Äthiopien hat nach Ägypten die stärksten Streitkräfte des afrikanischen Kontinents. Im Gegensatz zu allen somalischen Bürgerkriegsparteien verfügen sie über Panzer, schwere Artillerie und Kampfflugzeuge.

Am vergangenen Freitag (9. März) war angekündigt worden, daß die Äthiopier die derzeit von ihnen besetzten somalischen Städte Baidoa und Beledweyne Ende April an die afrikanische »Friedensmission« AMISOM übergeben wollen. Das Mandat dieser 2007 eingerichteten Truppe war bis vor kurzem auf die Hauptstadt Mogadischu begrenzt. Am 22. Februar stimmte der UN-Sicherheitsrat jedoch einer Ausdehnung ihres Auftrags auf alle umkämpften Teile Somalias zu. Gleichzeitig beschloß das Gremium eine Aufstockung der Personalobergrenze von 12000 auf exakt 17731 Mann.

AMISOM hat derzeit eine Stärke zwischen 9000 und 10000 Mann. Es handelt sich überwiegend um Soldaten aus Uganda und Burundi, zu denen vor kurzem auch ein Bataillon mit ungefähr 850 Mann aus Dschibuti, der ehemaligen Kolonie Französisch-Somaliland, gestoßen ist. Für Juni ist außerdem die Ankunft eines Bataillons aus dem westafrikanischen Staat Sierra Leone angekündigt.

Nach den jetzt bekanntgewordenen Plänen sollen im April 2500 ugandische und burundische Soldaten nach Baidoa verlegt werden. In Beledweyne soll außerdem ein weiteres Bataillon aus Dschibuti stationiert werden. Ob die Äthiopier dann außer den beiden Städten auch andere von ihnen besetzte Teile Südwestsomalias räumen, ist noch nicht bekannt. Das AMISOM-Kommando ist offenbar bemüht, das Regime in Addis Abeba von einem vollständigen Rückzug abzuhalten.

Voraussichtlich noch in dieser Woche sollen die etwa 5000 Soldaten aus dem Nachbarland Kenia, die im Oktober vorigen Jahres nach Südsomalia einmarschierten, formal der AMISOM angeschlossen werden. Die militärisch unerfahrenen Kenianer haben seit Beginn ihrer Invasion keines ihrer proklamierten Ziele erreicht, insbesondere nicht die Eroberung der Städte Kismajo – mit einem wirtschaftlich bedeutenden Hafen – und Afmadow. Gefürchtet sind hingegen ihre Luftangriffe auf zivile Einrichtungen in dem von Al-Schabab beherrschten Gebiet, wie etwa Schulen und Verteilstellen für Lebensmittel und andere Hilfsgüter.

Somalia wird international seit 2004 durch eine »Übergangsregierung« repräsentiert, die unter dem Patronat der UNO und der Afrikanischen Union eingesetzt, aber niemals durch Wahlen bestätigt wurde. Die »Übergangszeit«, die eigentlich nur bis 2009 dauern sollte, wurde bereits zweimal verlängert, soll nun aber nach dem Willen des UN-Sicherheitsrats endgültig am 20. August 2012 enden. Was sich dadurch praktisch ändern wird, ist unklar. Sicher ist nur: demokratische Wahlen soll es auch in den nächsten Jahren nicht geben.

* Aus: junge Welt, 12. März 2012


Gebot der Stunde

Von Mattes Dellbrück **

Es war ein düsteres Wochenende für die internationalen Bemühungen für eine Konfliktlösung in Somalia. Bei einem Angriff der radikal-islamischen Al-Schabab-Miliz auf einen Militärstützpunkt, der von äthiopischen Truppen im Lande und Verbänden der somalischen Übergangsregierung genutzt wird, sollen Dutzende Soldaten getötet worden sein. Es waren die wohl heftigsten Gefechte, seit die Truppen aus dem Nachbarland vor vier Monaten in dem ostafrikanischen Land einmarschiert sind. Äthiopien hilft wie Kenia der schwachen Übergangsregierung und den Einheiten der Friedensmission Amisom dabei, die Miliz zu bekämpfen. Sie soll auch hinter dem samstäglichen Anschlag in der keniatischen Hauptstadt Nairobi stecken, bei dem mindestens sechs Menschen getötet und über 60 verletzt worden sind.

Nach der jüngsten Somalia-Konferenz in London hat die Europäische Union gerade weitere 67 Millionen Euro für die Mission der Afrikanischen Union (AU) bereitgestellt, die auf 17 700 Soldaten aufgestockt werden soll. In Brüssel sprach man zuletzt von Fortschritten, weil AU-Einheiten und Regierungstruppen die Kontrolle über »den Großteil der Hauptstadt Mogadischu« wiedererlangt hätten. Wie wenig wert das ist, demonstrieren die Kämpfe und Toten der vergangenen Tage. Sie zeigen zugleich, dass ein politischer Prozess zur friedlichen Beendigung des Bürgerkriegs in weiter Ferne liegt, solange die internationale Gemeinschaft ihre Priorität bei der militärischen Unterstützung der somalischen Übergangsregierung sieht. Dabei wären Verhandlungen für einen umgehenden Waffenstillstand das Gebot der Stunde.

** Aus: neues deutschland, 13. März 2012 (Kommentar)


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