Somalia drohen weitere Plagen
UN-Friedenstruppe könnte Konflikt anheizen
Von Anton Holberg *
Eine internationale »Friedenstruppe«, die auf Antrag der USA kürzlich vom
UN-Sicherheitsrat
beschlossen wurde, soll die Übergangsregierung in Somalia stärken. Doch könnte sie die desolate
Situation noch verschärfen.
Heftige Regenfälle nach einer Dürre wirken sich katastrophal aus: In Somalia steht eine Hungersnot
vor der Tür. Dem Land steht aber noch eine zweite »Plage« bevor: Auf Betreiben der USA hat der
UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, derzufolge eine internationale Friedenstruppe in
das Land geschickt werden soll.
1992, als der somalische Staat nach dem Sturz des Dikators Siad Barre faktisch aufhörte zu
existieren und das Land in einen Bürgerkrieg verfiel, waren USA-geführte Truppen unterm UNOSchutzschild
schon einmal in das Land gekommen. Ihr Versuch der Befriedung scheiterte
schmählich.
Diesmal sind die USA etwas klüger: Die Arbeit wollen sie von 8000 unter dem Namen IGASOM
wirkenden Soldaten der Afrikanischen Union (AU) erledigen lassen. Die neuerliche Intervention soll
ganz offen der Machterhaltung der so genannten Föderalen Übergangsregierung (TFG) in Baidoa
dienen. Deren Verteidigungsminister Salad Ali Jelly dankte denn auch umgehend dem Sicherheitsrat
und »insbesondere der amerikanischen Regierung«.
Die inzwischen den größten Teil Somalias kontrollierende fundamentalistische Union Islamischer
Gerichtshöfe (UIC) drohte dagegen bewaffneten Widerstand gegen jede Intervention an und
betonte, sie sei selbst in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Die angekündigte »Friedenstruppe«
betrachtet sie als Feuerschutz für die Soldaten, die Äthiopien bereits zum Schutz der
Übergangsregierung entsandt hat.
Die
UN-Resolution vom 6. Dezember sieht vor, dass Somalias unmittelbare Nachbarn nicht an der
IGASOM beteiligt werden. Bisher sind äthiopische Militärs – obwohl von der Regierung in Addis
Abeba bestritten – die wichtigste Stütze der Übergangsregierung in Baidoa. Auf der anderen Seite
liefern Eritrea und verschiedene arabische Staaten Waffen an die Islamisten in Mogadischu.
Die Unterstützung der UN für die Übergangsregierung hat formell einige Berechtigung. Denn diese
Regierung, die die meiste Zeit ihrer Existenz in Kenia verbrachte, ist eine Kreatur von UNO und AU.
Denen war es seinerzeit gelungen, eine Reihe von Kriegsherren darin zu versammeln. Angesichts
der Unfähigkeit dieser Regierung, in Somalia Nennenswertes zu bewirken, genügt diese formelle
Begründung jedoch kaum, zumal inzwischen einige Minister als Antwort auf die wachsende
Abhängigkeit der TGF vom Erzfeind Äthiopien zur UIC übergelaufen sind.
Zu befürchten ist, dass sich der Kampf zwischen UIC und TFG auf die ganze Region ausweitet und
den Charakter eines Stellvertreterkrieges zwischen Äthiopien und Eritrea annimmt. Die USA
betrachten ein von den UIC-Fundamentalisten beherrschtes Somalia als Rückzugsgebiet für Al-
Qaida und verwandte antiamerikanische Kräfte. Die UIC verwahrt sich zwar gegen solche Vorwürfe,
aber in ihren Reihen gibt es solche Kräfte zweifellos, weshalb die Bewegung zumindest
propagandistische Unterstützung von Al-Qaida genießt.
Gleichzeitig repräsentiert die UIC aber auch die Einheit der somalischen Nation gegenüber den
Nachbarstaaten, besonders gegenüber dem christlich dominierten Äthiopien. Dessen Provinz
Ogaden ist großenteils von Somalis bewohnt und war bereits unter Siad Barre Objekt eines blutigen
Krieges zwischen beiden Staaten. Anders als die UIC ist die Übergangsregierung angesichts ihrer
Schwäche für Äthiopien eine weniger gefährliche Kraft, die zudem nicht aus dem islamistischen
Lager außerhalb des Landes unterstützt wird.
Die UN-Resolution wurde auch von der Arabischen Liga scharf kritisiert. In Ostafrika scheint bislang
nur Uganda zur Entsendung von Soldaten bereit zu sein. Es könnte also lange dauern, bevor
überhaupt »Friedenstruppen« nach Somalia kommen. Die Resolution ist deshalb in erster Linie eine
symbolische Unterstützung für die TFG.
Dass die UIC darauf Rücksicht nehmen wird, ist indes nicht zu erwarten. Der Sicherheitschef des
Obersten Islamischen Rates, Yusuf Mohamed Siad, setzte Äthiopien am Dienstag ein einwöchiges
Ultimatum: »Von heute an müssen alle Äthiopier Somalia verlassen, ansonsten werden sie
verantwortlich sein für das Blutbad, das folgt.« Am Wochenende wurden heftige Kämpfe zwischen
islamistischen Milizen und TFG-Truppen gemeldet. Die Milizen sollen sich bereits unweit des
Hauptstützpunktes der äthiopischen »Berater« befinden. Ihr Ziel ist die Eroberung Baidoas.
* Aus: Neues Deutschland, 13. Dezember 2006
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