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Übergang geht weiter

Nicht gewählte Regierungspolitiker Somalias verlängern ihre eigene Amtszeit

Von Knut Mellenthin *

Der Streit um die Zukunft der somalischen Übergangsregierung scheint vorerst gelöst. Nach mehrtägigen Verhandlungen in der ugandischen Hauptstadt Kampala unterschrieben Somalias Präsident Scheik Scharif Ahmed und Parlamentssprecher Scharif Hassan am Donnerstag voriger Woche (9. Juni) ein Kompromißabkommen, das beide im Amt beläßt. Opfer der Einigung, die unter dem Patronat des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni zustande kam, ist Premierminister Mohammed Abdullahi Mohammed, in Somalia bekannter unter dem Namen Farmajo. Er war erst seit Oktober 2010 im Amt und wird nun ausgetauscht. Hunderte wütender Anhänger Farmajos demonstrierten nach Bekanntwerden der Einigung in Mogadischu und legten Feuer in einem Hotel, das Abgeordneten während ihrer kurzen Anwesenheit in der Hauptstadt als Quartier dient. Viele Parlamentarier leben mit ihren Familien im Ausland und lassen sich nur zu wichtigen Sitzungen einfliegen.

Die Besetzung aller Übergangsinstitutionen, einschließlich des Parlaments, wurde im Jahr 2004 im Verlauf einer monatelangen Konferenz im benachbarten Kenia zwischen den damaligen Machthabern, Warlords und Clanchefs ausgehandelt. Die UNO und die Afrikanische Union standen bei diesen Verhandlungen Pate und sicherten die internationale Anerkennung der Übergangsregierung. Wahlen sollten nach Ablauf einer Übergangsperiode stattfinden. Diese wurde 2008 verlängert und hätte nun am 20. August dieses Jahres geendet. Was danach kommen sollte, wußten allerdings auch die internationalen Unterstützer und Geldgeber der Übergangsregierung nicht. Niemand hat bisher vorgeschlagen, in nächster Zeit landesweite freie Wahlen durchzuführen. Dies wäre in dem Land mit rund einem Dutzend weitgehend autonomer Regionen und fehlender Zentralmacht technisch praktisch unmöglich. Die Übergangsregierung beherrscht lediglich die Hälfte der Hauptstadt des Landes. Außerdem wären die voraussichtlichen Ergebnisse angesichts der Stärke der Islamisten in weiten Landesteilen bei den Unterstützern der Regierung unerwünscht.

Vor diesem Hintergrund hatte das Parlament schon im Februar nahezu einstimmig beschlossen, seine Amtszeit um drei Jahre zu verlängern. Gleichzeitig verlangten die Abgeordneten jedoch die Neuwahl des Präsidenten und des Premierministers noch vor Ablauf der Übergangsperiode. Gemeint war selbstverständlich eine Wahl durch das Parlament, nicht durch die Bevölkerung. Dagegen forderten die beiden Politiker ein Jahr Aufschub. Dies wurde von Museveni, dessen Streitkräfte das größte Kontingent der in Mogadischu stationierten Friedenstruppe stellen, mit Argumenten der Stabilität unterstützt. Das Abkommen von Kampala sieht nun vor, die Neuwahl des Präsidenten und des Parlamentssprechers auf August 2012 zu verschieben. Auf der Strecke bleibt nur Farmajo.

* Aus: junge Welt, 14. Juni 2011


Afrikas Al-Qaida-Chef in Somalia getötet

Fazul Abdallah Mohammed identifiziert **

Er galt als der meistgesuchte Terrorist Afrikas, nun ist Fazul Abdallah Mohammed in Mogadischu getötet worden. Eine DNA-Analyse brachte am Montag (13. Juni) den Beweis. US-Außenministerin Hillary Clinton nannte seinen Tod ein gerechtes Ende.

Mit der Tötung des meistgesuchten Terroristen Afrikas ist ein weiterer schwerer Schlag gegen Al Qaida gelungen. Nach Osama bin Laden wurde nun der afrikanische Chef des Netzwerks, Fazul Abdallah Mohammed, getötet. Er war der mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam im Jahr 1998 und galt als möglicher Bin-Laden-Nachfolger.

Fazul Abdallah Mohammed wurde laut Polizei bereits am Mittwoch an einer Straßensperre in der somalischen Hauptstadt Mogadischu getötet. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach von einem »bedeutenden Schlag« gegen das Terrornetzwerk.

»Es ist ein gerechtes Ende für einen Terroristen, der so vielen Unschuldigen in Nairobi, Daressalam und an anderen Orten so viel Tod und Schmerz gebracht hat«, sagte Clinton nach Angaben der BBC am Sonnabend bei ihrer Ankunft in Tansania, der zweiten Station ihrer Afrika-Reise. Sein Tod sei ein »bedeutender Schlag gegen die Al Qaida, ihre extremistischen Verbündeten und alle ihre Operationen in Afrika«, betonte die US-amerikanische Chefdiplomatin, die am Montag im äthiopischen Addis Abeba eine Rede vor der Afrikanischen Union halten wollte.

Wie die »Daily Nation« am Montag berichtete, bestätigte eine DNA-Analyse die Identität des Mannes. US-Geheimdienstvertreter hätten in Nairobi DNA-Material des Toten mit Proben seiner Kinder verglichen, zitierte die Zeitung einen hohen Vertreter der Sicherheitsbehörden.

Die Sicherheitsbehörden in Mogadischu berichteten, bei der Leiche seien 40 000 Dollar Bargeld und ein südafrikanischer Pass gefunden worden. Aus den Stempeln des Passes gehe hervor, dass Fazul Abdallah Mohammed im März Südafrika verlassen habe und nach Tansania gereist sei, berichtete die Zeitung »The Standard« in ihrer Sonntagsausgabe. Zuletzt soll er im Süden Somalias eine Einheit ausländischer Kämpfer kommandiert haben, meldete das Blatt unter Berufung auf somalische Sicherheitskreise.

Das FBI hatte eine Belohnung in Höhe von fünf Millionen Dollar für Hinweise auf Fazul Abdallah Mohammed ausgesetzt, der 18 verschiedene Alias-Namen verwendet haben soll und als Verkleidungskünstler galt. Mindestens dreimal entkam er einer Festnahme. Er galt als Vertrauter Osama bin Ladens, der in den späten 80ern in den Terrorlagern in Peshawar und Kandahar ausgebildet wurde.

Der auf den Komoren geborene Fazul Abdallah Mohammed, der auch die kenianische Staatsangehörigkeit hat, war nach dem Tod von Osama bin Laden Anfang Mai als einer der möglichen Nachfolger des Terrorchefs im Gespräch gewesen. Die Anschläge auf die US-Botschaften, bei denen mehr als 250 Menschen getötet wurden, gelten als der erste große Terrorangriff von Al Qaida. Fazul Abdallah Mohammed soll auch verantwortlich für den Sprengstoffanschlag auf ein israelisches Hotel an der kenianischen Küste 2002 gewesen sein. Damals wurden 13 Menschen getötet und mehr als 80 verletzt.

Ein Selbstmordanschlag auf Somalias Innenminister Abdishakur Sheik Hassan Farah am Sonnabend wird derweil als Racheakt für den Tod von Fazul Abdallah Mohammed eingestuft. Die Täterin soll eine Nichte des getöteten Ministers gewesen sein. Ein Sprecher der Al-Shabaab-Miliz übernahm die Verantwortung für den Anschlag vom Freitag (10. Juni).

** Aus: Neues Deutschland, 14. Juni 2011


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