Noch mehr Soldaten
Somalias Nachbarn wollen Interventionstruppen in Mogadischu verstärken
Von Knut Mellenthin *
Die Staaten Nordostafrikas wollen die Militärintervention zur Stützung
der somalischen Übergangsregierung (TFG) ausweiten. Sie beschlossen am
Montag auf einem kurzfristig angesetzten Gipfeltreffen der IGAD, in
allernächster Zeit 2000 Soldaten nach Somalia zu schicken. Sie sollen
die dort eingesetzte afrikanische »Friedenstruppe« AMISOM verstärken und
dieser unmittelbar unterstellt werden. Aus welchen Ländern die
zusätzlichen Soldaten kommen sollen, wurde noch nicht bekannt gegeben.
Der ursprünglich zur wirtschafts- und entwicklungspolitischen
Zusammenarbeit gegründeten Staatengemeinschaft IGAD gehören zur Zeit
Äthiopien, Somalia, Sudan, Kenia, Uganda und Dschibuti an. Die
Mitgliedschaft Eritreas ist wegen seines Grenzkonflikts mit Äthiopien
und der angeblichen Unterstützung der somalischen Islamisten suspendiert.
AMISOM hat derzeit eine Mannschaftsstärke von rund 5 300 Mann, die
ausschließlich in einigen südlichen Bezirken der Hauptstadt Mogadischu
stationiert sind. Sie schützen hauptsächlich das Regierungsviertel, den
Hafen und den Flughafen. Die Soldaten kommen je zur Hälfte aus Uganda
und Burundi. Im Gegensatz zu allen Parteien des somalischen Bürgerkriegs
verfügen sie über Panzer und schwere Artillerie. Ihr Mandat wurde
erstmals im Januar 2007 von der Afrikanischen Union, der
Dachorganisation aller Staaten des Kontinents, für ein halbes Jahr
erteilt. Danach sollte AMISOM, so war damals die Bedingung der AU, durch
eine internationale Blauhelmtruppe der UNO abgelöst werden. Dazu besteht
jedoch bis heute im UN-Sicherheitsrat keine Bereitschaft. Daher ist es
mittlerweile zur Routine geworden, daß die AU ohne Diskussion alle sechs
Monate das AMISOM-Mandat verlängert. Mehrere Ansätze, den Kampfauftrag
der »Friedenstruppe« über Mogadischu hinaus auszudehnen, versandeten jedoch.
Nach dem weitgehenden Zusammenbruch der TFG-Streitkräfte stellt AMISOM
den letzten Rückhalt der Übergangsregierung im Bürgerkrieg mit den
Islamisten dar. Die TFG wurde 2004 unter internationaler Beteiligung
zusammengestellt und regiert seither, ohne daß in dieser Zeit
irgendwelche Wahlen stattgefunden hätten. Sie vertritt kaum noch
gesellschaftliche Kräfte, wird aber von der UNO und von der AU als
einzige legitime Vertreterin Somalias anerkannt und unterstützt.
Der Beschluß der IGAD, sehr schnell militärische Verstärkung nach
Mogadischu zu schicken, folgte auf einen Hilferuf des TFG-Präsidenten
Scharif Scheikh Ahmed. Das Gipfeltreffen in der äthiopischen Hauptstadt
Addis Abeba appellierte darüber hinaus an die UNO und an die AU, eine
20000 Mann starke »Friedenstruppe« nach Somalia zu entsenden.
Die TFG versucht seit einigen Wochen, mit Hilfe von AMISOM den von ihr
gehaltenen Teil Mogadischus nach Norden auszudehnen. Da die
»Friedenstruppe« bei diesen Angriffen immer wieder Granaten in
Wohngegenden schießt, ist die Zahl der getöteten und verletzten
Zivilisten hoch. Tausende, vor allem Frauen und Kinder, sind aus den
Kampfgebieten geflüchtet. Am Montag demonstrierten Hunderte von
Menschen, darunter viele mit Kalaschnikows bewaffnete Frauen, in
Mogadischu gegen die ausländische Intervention. Kinder und Jugendliche
waren mit englischsprachigen Plakaten zu sehen, auf denen »AMISOM killed
my mummy« oder »AMISOM killed my dad« stand. Auf anderen Schildern wurde
der Abzug der »Friedenstruppe« gefordert.
* Aus: junge Welt, 7. Juli 2010
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