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Uganda zu Somalia-Abenteuer bereit

Übergangsregierung in Mogadischu ist machtlos, doch von außen winkt kaum Unterstützung

Von Thomas Nitz *

Die Islamisten wurden in Somalia zwar zurückgetrieben, doch Ruhe ist damit noch lange nicht am Horn von Afrika eingekehrt. Mit wirksamer Hilfe von außen ist kaum zu rechnen.

In der somalischen Hauptstadt Mogadischu wächst die Furcht vor der Rückkehr jener anarchischen Zustände, wie sie seit dem Sturz des Diktators Siad Barre im Jahr 1991 herrschten. Am Freitag kam es zu einem Handgranatenangriff. Der Vizechef von Al Qaida, Aiman el Sawahiri, rief in einer Videobotschaft die versprengten Islamisten zu Selbstmordanschlägen gegen die äthiopischen Truppen auf. Und die rivalisierenden Kriegsfürsten, die 15 Jahre lang das Land unter sich aufgeteilt hatten, bis sie von einer Union aus radikalen Islamisten verdrängt wurden, die ein Mindestmaß an Ordnung sicherten, beginnen wieder, ihre Machtkämpfe auszutragen. Erneut wurden von ihnen Straßensperren zwischen den Stadtvierteln errichtet, um Wegezoll zu erpressen.

Nun obliegt es dem zwar international anerkannten, aber bisher machtlosen Übergangskabinett, für Recht und Ordnung zu sorgen. Seinem Aufruf, die Waffen abzugeben, folgten indes nur wenige. Zu groß ist das Misstrauen gegenüber den neuen Herren in Mogadischu. Schließlich befinden sich unter ihnen auch Clanchefs und Kriegsfürsten, die das Land einst terrorisierten. Bisher jedenfalls hat sich diese provisorische Regierung als völlig unfähig erwiesen, das Land zu befrieden. Auch wurde von den Bürgerkriegsparteien nicht entschieden, wie es weitergehen soll. Verhandlungen stehen noch aus. Der Sprecher der Islamisten, Scheich Mohamed Ibrahim Suley, kündigte stattdessen einen Guerillakampf an. »Unsere Schlangen sind bereit, den Feind überall in Somalia zu beißen«, drohte er. Die Zahl der islamistischen Kämpfer werde auf mindestens 3500 in der Gegend um Mogadischu geschätzt, teilte Innenminister Hussein Aidid mit.

Aus eigener Kraft, das steht fest, wird die Übergangsregierung nicht Herr der Lage. Doch sie steht ziemlich einsam da. Kenia hat die Grenze dichtgemacht, um Flüchtlinge abzuwehren. Die USA stellten zwar Hilfsgüter in Aussicht und Außenministerin Condoleezza Rice sprach am Donnerstag von einer »historischen Chance der Menschen in Somalia und der internationalen Gemeinschaft«, doch aktiv wurde nur die USA-Marine, die nunmehr die Gewässer vor Somalias Küste überwacht, um flüchtende Islamisten abzufangen und zu verhindern, dass Terrorverdächtige das Land verlassen. »Wir sind natürlich präsent, um sicherzustellen, dass diesen Personen keine Fluchtrouten über das Meer offen stehen«, erklärte USA-Außenamtssprecher Sean McCormack in Washington. Zu den Einzelheiten der Militäraktion sagte er nichts. Auch zu den immer lauter werdenden Vorwürfen, die von der Verschleppung mutmaßlicher Extremisten aus Somalia bis hin zu Geld- und Waffenlieferungen an die Gegner der Islamisten reichen, fehlt seitens der USA-Regierung jede Stellungnahme.

Schwer tut sich die internationale Somalia-Kontaktgruppe, die nach einem informellen Treffen ihrer europäischen Mitglieder in Brüssel am Freitag in Nairobi hinter verschlossenen Türen tagte. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier machte bereits zuvor klar, dass sich Europa bei einem möglichen Einsatz von Friedenstruppen zurückhalten werde. »Es wird, wenn es eine internationale Präsenz geben wird, eher eine afrikanischen Ursprungs sein«, verkündete er.

Äthiopien, dessen Truppen der Übergangsregierung den Einzug in Mogadischu ermöglichten, kann sich einen längeren Krieg nicht leisten. »Wir werden so bald wie möglich das Land wieder verlassen«, erklärte Premierminister Meles Zenawi. »Es kann sich um Wochen handeln, allenfalls Monate. Wir haben nicht das Geld, die Sache allein durchzustehen.« Mit dem Abzug der Äthiopier wird jedoch ein Machtvakuum entstehen. Bislang hat sich nur Uganda deutlich dazu bereit erklärt, ein Kontingent für eine Friedenstruppe der Afrikanischen Union zu stellen. Der Konflikt könnte sich über die gesamte Region ausbreiten und Äthiopien und Eritrea sowie den chronisch unruhigen Norden Kenias erfassen.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2006


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