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Bundeswehr soll nach Somalia

Schwarz-Rot will Ausbilder in die Krisenregion schicken und zugleich eine neue Afrika-Strategie entwickeln

Von Fabian Lambeck *

Die Bundesregierung will Soldaten als Ausbilder nach Somalia schicken. Die Pläne sind offenbar Teil einer neuen deutschen Afrika-Strategie, die derzeit entwickelt wird.

Die Bundeswehr soll zurück ans Horn von Afrika. Schon einmal – zwischen März 1993 und März 1994 – waren Bundeswehrsoldaten in Somalia stationiert. Im Rahmen der UNO-Operation UNOSOM II waren deutsche Fallschirmjäger, Pioniere und Sanitäter dort im Einsatz. Die Mission scheiterte bekanntermaßen, Somalia versank im Chaos, und am 23. März 1994 verließen die letzten Angehörigen des »Deutschen Unterstützungsverbandes« das geschundene Land.

Wie das Nachrichtenmagazin »Spiegel« am Montag berichtete, will das Bundesverteidigungsministerium demnächst wieder deutsche Soldaten nach Somalia zu schicken. Die entsprechenden Planungen »laufen im Einsatzführungskommando seit mehreren Wochen«, so der »Spiegel«. Im Rahmen der Mission EUTM sollen sie als Ausbilder in die somalische Hauptstadt Mogadischu. EUTM steht für European Union Training Mission und ist ein Programm der Europäischen Union. Derzeit läuft eine solche Mission bereits in Mali, wo auch 80 deutsche Ausbilder ihren Dienst tun. Weniger bekannt ist die Existenz der EUTM Somalia, die bereits 2010 auf den Weg gebracht wurde und die Übergangsregierung Somalias »stärken« soll, wie die EU erklärt. Bis heute wurden im Rahmen dieser Mission bereits 3600 somalische Militärs ausgebildet. Aus Sicherheitsgründen fand dieses Training bislang in Uganda statt.

Doch dann erfolgte im vergangenen Jahr der Umzug nach Somalia. In Berlin sah man das mit Sorge. Galt die Situation vor Ort doch als instabil. Deshalb verlegte man im Dezember das 20 Soldaten umfassende deutsche EUTM-Kontingent zurück in die Bundesrepublik. »Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit und wenig wahrgenommen von den Medien«, wie das »Bundeswehr-Journal« kritisierte. Also noch im Dezember schätzte die Sicherheitslage am Horn von Afrika als instabil ein. Jetzt meldete der »Spiegel«: »Diese Bewertung hat sich nun verändert«.

Das CDU-geführte Verteidigungsministerium sowie das SPD-geführte Auswärtige Amt bestätigten am Montag den Bericht und erklärten, man wolle die Beteiligung an der Ausbildungsmission in Mogadischu neu prüfen. Eine endgültige Entscheidung stehe demnach aber noch aus. Möglicherweise könnten die ersten Bundeswehrsoldaten schon im April in Somalia eintreffen. Zuvor müsste der Bundestag der Mission zustimmen.

Innerhalb der Koalition wird bereits Kritik an der Mission laut. »Die CSU steht der Ausweitung von Militäreinsätzen der Bundeswehr sehr reserviert gegenüber«, erklärte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer am Montag in München. Die Bundeswehr dürfe »nicht überfordert werden«, so Scheuer und betonte, seine Partei werde das Thema bei der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses auf die Tagesordnung setzen.

Stefan Liebich, Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung: »Offenbar wird bereits seit Wochen an der Umsetzung des neuen Projekts für mehr Bundeswehr in Afrika gearbeitet, ohne dass der Bundestag mit einbezogen wird.«

Zudem wurde am Montag bekannt, dass die Große Koalition eine neue Afrika-Strategie entwickeln will. Dazu soll es kommende Woche ein Gespräch zwischen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) geben. »Afrika ist weit mehr als ein Kontinent der Krisen. Da gibt es auch eine Menge Chancen«, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Februar 2014


Plötzlich stabil

Fabian Lambeck über die erstaunlich schnelle Verbesserung der Sicherheitslage in Somalia **

Dieser Sinneswandel vollzog sich erstaunlich schnell. Noch im Dezember hielt man bei der Bundeswehr die Situation in Somalia für instabil. So instabil, dass man die eigenen Soldaten in die Heimat verlegte, bevor sie mit dem Rest der EU-Ausbildungsmission nach Mogadischu hätten gehen sollen. Seit einigen Wochen aber scheint die Erkenntnislage eine andere zu sein. Anders wäre kaum zu erklären, warum im Einsatzführungskommando die Planungen für einen Somalia-Einsatz laufen. Oder ist die Sicherheitslage etwa gar nicht ausschlaggebend, sondern das mittlerweile öffentlich bekundete strategische Interesse der Bundesrepublik an Afrika?

Die Ausbildungsmission der EU ist auch durchaus nicht so harmlos, wie man uns glauben machen möchte. Zum Training gehörte bislang auch der »Kampf in bebautem Gelände«. Das »bebaute Gelände« war die von den Clans umkämpfte Hauptstadt Mogadischu. Die ist jetzt angeblich weitgehend frei von renitenten Islamisten. Auch deshalb konnte die EU-Mission nun in Einsatznähe zu verlagert werden. Offenbar werden ab April wieder deutsche Ausbilder dabei sein, wenn man die Kämpfer verbündeter Clans trainiert. Der Bundestag wird die Mission wohl kaum stoppen. Hier hat Schwarz-Rot bekanntlich eine satte Mehrheit.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Februar 2014 (Kommentar)


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