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Der Krieg als Alltag

Lage in Sri Lanka dramatisch verschärft – Bevölkerung lebt in ständiger Angst

Von Thomas Berger *

Politische Morde auf offener Straße, willkürliche Verhaftungen, Entführungen und Einschüchterungsversuche – die Einwohner in Teilen Sri Lankas, allen voran im Norden und Osten der Insel, leben in ständiger Angst. Nachdem die Organisation Human Rights Watch (HRW) auf Basis ihrer jüngsten Recherchen einen alarmierenden Bericht zur Menschenrechtslage im Inselstaat publik gemacht hat, setzt die srilankische Regierung jetzt alle Hebel in Bewegung, um einer offiziellen Rüge seitens der EU zu entgehen. Ein solches Zeichen aus Brüssel wäre Wasser auf die Mühlen der Befreiungs­tiger von Tamil Eelam (LTTE). In einer am Donnerstag dem britischen Hochkommissar übergebenen Note wird ausdrücklich vor einer Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen durch die Europäer gewarnt. HRW hatte seinen Bericht am Dienstag im Europaparlament vorgestellt.

Seit der Report der Organisation Mitte August erstmals öffentlich wurde, habe sich die Situation in Sri Lanka nicht im geringsten verbessert, so der Vorwurf. Eher im Gegenteil. Die Mitarbeiter des Roten Kreuzes haben allein in den drei Wochen vor dem 3. September landesweit 34 Entführungsfälle gezählt. 13 Personen wurden im gleichen Zeitraum auf offener Straße ermordet. Als dramatisch schätzen HRW-Experten und andere die Lage der Binnenflüchtlinge ein. Die Familien, die wegen der Kämpfe ihre Heimatorte verlassen haben und nun in Notunterkünften campieren, seien kaum geschützt. »Unter der Zivilbevölkerung, vor allem den Tamilen, macht sich ein Klima der Angst breit«, so die Einschätzung.

Allein die Schlagzeilen der letzten Tage geben HRW recht. Mehrere Menschen wurden erschossen, darunter am Donnerstag ein Aktivist der kleinen Tamilenpartei EPDP. Nahe Colombo wurde am Mittwoch ein tamilischer Zivilist an einem Bahnhof entführt. Am Donnerstag morgen flogen mehrere Kampfjets der Luftwaffe einen Angriff auf den Ort Puthukudiyiruppu im Landesnorden. Schüler mehrerer Schulen brachten sich verängstigt in Sicherheit, als gegen 8.30 Uhr binnen einer halben Stunde zwölf Bomben abgeworfen wurden. Die indische Tageszeitung The Hindu zitierte srilankische Armeevertreter mit der Aussage, Ziel sei die Operationsbasis von Thamilendi, dem Finanzchef der Rebellengruppe, gewesen. Mit dem Resultat der Luftangriffe sei man »zufrieden«.

* Aus: junge Welt, 15.09.2007


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