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"Wohlfahrt"

Sri Lanka: Regierung verhöhnt Flüchtlinge. Ausnahmezustand für Kampf gegen Reste von Tamil Eelam verlängert

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sri Lankas Parlament hat am Dienstag (7. Juli) der Regierung zugestimmt, den Ausnahmezustand zunächst für weitere vier Wochen zu verlängern, »um Reste der Befreiungs­tiger von Tamil Eelam zu eliminieren«. Militärsprecher Keheliya Rambukwella erklärte, es gebe noch »Überbleibsel des Terrorismus«. Vor zwei Monaten hatte Präsident Mahenda Rajapakse nach dem Sieg über die Befreiungstiger (LTTE) ein Ende des Krieges proklamiert. Unter dem Ausnahmezustand verfügen Militär und Polizei über weitreichende Vollmachten. Das bezieht sich vor allem auch auf die nahezu 300000 tamilischen Flüchtlinge, die seit Monaten in Notlagern leben. Diese bezeichnet die Regierung als »Wohlfahrtsdörfer«, obwohl eine Reihe von Organisationen und Parteien schwere Vorwürfe wegen der dortigen unzulänglichen Lebensbedingungen erheben.

Besonders wird kritisiert, daß es kaum Zugang zu den Lagern gibt und es selbst schwierig ist, dort Hilfsgüter zu übergeben. Viele Familien sind getrennt in verschiedenen Notcamps untergebracht. Sie dürfen diese nicht verlassen. Es besteht keinerlei Transparenz, was die Bedingungen für die Vertriebenen betrifft. Diese Menschen werden auch von der Justiz nicht geschützt. Die Internationale Krisengruppe konstatierte in einer Erklärung, Sri Lankas Gerichte seien politisiert und würden die Bürgerrechte der Tamilen nicht berücksichtigen. Indiens Innenminister Palaniappan Chidambaram äußerte sich unzufrieden über die Schritte, die Colombo bislang zur Rehabilitation der Tamilen unternommen hat. Die Anstrengungen reichten nicht aus. Er nannte die Entwurzelten »Flüchtlinge in ihrem eigenen Land«.

Präsident Rajapkase hingegen hält die Lager für die besten, die es in irgendeinem Land gibt. Die Grundbedürfnisse würden befriedigt, sogar der Schulbesuch für die Kinder sei gewährleistet. Die Bewohner wären zufrieden mit der Unterbringung. Das einzige Problem sei das Fehlen ihrer Bewegungsfreiheit, behauptete er. Die Regierung bemühe sich, die Vertriebenen so schnell wie möglich in ihre Heimatdörfer zurückkehren zu lassen. Bestehende Engpässe werde man langsam überwinden. Erst müßten jedoch die Minen geräumt und die zerstörte Infrastruktur wieder aufgebaut werden. »Jeder Quadratzentimeter ist von der LTTE vermint worden«, sagte er in einem Interview, das er dieser Tage der indischen Tageszeitung The Hindu gab.

Ausweichend antwortete Rajapakse auf Fragen zu einer endgültigen Lösung des politischen und sozial-ethnischen Konflikts zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit. Dafür wolle er sich bei den nächsten Wahlen, die voraussichtlich im November stattfinden werden, das Mandat des Volkes holen. Alle politischen Parteien müßten daran mitwirken. Als ersten Schritt in diese Richtung bewertete er das Zustandekommen einer Allparteienkonferenz am 2. Juli. An dieser beteiligte sich auch die Tamilische Nationalallianz (TNA), die in der Vergangenheit im Parlament Positionen der LTTE vertreten hatte. Die TNA versprach auf dem Treffen Unterstützung für einen Plan der Regierung, die am 21. Mai unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit verkündet hatte, die Vertriebenen innerhalb von 180 Tagen in ihre Heimatdörfer zurückführen zu wollen. Immerhin gilt als Erfolg, daß die TNA solche Zusammenkünfte nicht länger boykottiert.

Der Präsident umriß seine Visionen von einer Aussöhnung zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen: Es gebe keinen Platz für Rassismus und all das, was Unruhe und Spannungen zwischen den drei Gemeinschaften der Singhalesen, Tamilen und Muslime schafft. Wirkliche Aussöhnung sei nur durch eine »Durchmischung« der ethnischen Gruppen zu erreichen. Für ihn existierten keine Minderheiten, sondern nur Bürger, die ihre Heimat lieben und solche, die das nicht tun. Er wisse, was er für eine dauerhafte politische Lösung des Konflikts zu tun habe und was nicht. »Kein Weg führt zum Föderalismus in diesem Land«, konstatierte er kategorisch.

* Aus: junge Welt, 10. Juli 2009


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