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Flüchtlingsdrama in Sri Lanka

Schreckliche Zustände in überfüllten Lagern

Von Hilmar König, Delhi *

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen schätzt ein, dass wegen der Kämpfe im Osten Sri Lankas seit Januar 127 000 Menschen aus ihren Dörfern vertrieben wurden.

Nach Aussagen Kolitha Wickramages, der im medizinischen Dienst der britischen Hilfsgruppe Merlin mitarbeitet, treffen in Flüchtlingslagern im Distrikt Batticaloa täglich bis zu 5000 Menschen ein. Viele hätten bereits zum zweiten Mal binnen zwei Jahren alles verloren. Er nannte das Beispiel einer Familie, die nach dem Tsunami im Dezember 2004 vor dem Nichts stand und vor drei Monaten endlich ihr neues Heim beziehen wollte. Doch das Haus wurde von einer Bombe zerstört. »Mit anderen Dorfbewohnern floh die Familie nachts, durchquerte Dschungelgebiet und Flüsse. Etliche Kinder ertranken und wurden unter Laub begraben«, berichtete Wickramage.

Im Verlaufe nur einer Woche strömten 50 000 Flüchtlinge in die Stadt Batticaloa, die sich unter Regierungskontrolle befindet. 40 000 Menschen brachten sich im Westen und Süden des Landes in Sicherheit. Sie flohen vor der Offensive der Armee, die die tamilischen Befreiungstiger (LTTE) aus der Ost-Region vertreiben will. Ein Beamter des Verteidigungsministeriums in Colombo sagte gerade gegenüber Auslandskorrespondenten, es werde erst dann Frieden und Entwicklung in Sri Lanka geben, wenn die LTTE militärisch besiegt ist. Der Krieg werde noch zwei bis drei Jahre dauern, ehe erst der Osten und danach der Norden des Landes aus den »Fängen der Tiger befreit« sei.

Für die Bevölkerung bedeutet eine solche Perspektive nur fortgesetzes Leid. Die Lager in Batticaloa sind überfüllt und unzureichend versorgt. Tausende Menschen vegetieren in Notunterkünften, in Kirchen und Schulen. Oder sie leben im Freien. Mitarbeiter von Caritas Australia äußerten die Befürchtung, Sri Lanka steuere auf eine humanitäre Krise zu. Laut Amnesty International treiben in Batticaloa-Flüchtlingslagern sogar bewaffnete Gruppen ihr Unwesen.

UNO-Agenturen, das Rote Kreuz und andere Organisationen haben Alarm geschlagen. Human Rights Watch hält eine offizielle UNO-Überwachungsmission in Sri Lanka für dringend erforderlich, da beide Kriegsparteien die Menschenrechte grob missachten. Der erwähnte Beamte aus dem Verteidigungsministerium hält allerdings Menschenrechtsverletzungen seitens der Armee für »von der LTTE initiierte Propaganda« und behauptet, die Streitkräfte Sri Lankas seien in dieser Hinsicht »100 Mal besser als jede Armee in der Welt.«

* Aus: Neues Deutschland, 15. März 2007


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