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Verteidigungspakt ohne militärische Basis

Indien und Sri Lanka wollen Abkommen schließen - Furcht vor Verwicklung in Konflikt mit Tamilen?

Von Ranjit Devraj (IPS), Neu-Delhi*

Indien und Sri Lanka stehen kurz vor der Unterzeichnung eines Verteidigungsabkommens. Von dem Pakt erhofft sich die srilankische Regierung angesichts wachsender Bürgerkriegsgefahr offensichtlich mehr, als Neu-Delhi zu geben bereit ist. Experten gehen davon aus, daß sich Indien nach schlechten Erfahrungen mit einem ähnlichen Unternehmen in den Jahren 1987 bis 1989 militärisch auf keinen Fall im srilankischen Konflikt engagieren wird. Insgesamt sind in den 20jährigen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung in Colombo und den separatistischen Rebellen der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) 60 000 Menschen ums Leben gekommen. Nach Einschätzung von S. D. Muni, Südasienexperte an der Jawaharlal-Nehru-Universität (JNU) in Delhi, haben sich die von Norwegen vermittelten Friedensgespräche der letzten zwei Jahre totgelaufen.

Wie Muni in einem Gespräch erläuterte, hofft die Sri Lankas Regierung unter Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga, die unlängst in Indien zu Besuch war, in dieser Situation auf Rückendeckung aus dem großen Nachbarland: »Die Regierung will den Konflikt sicher nicht anheizen, der LTTE aber auch nicht das Aktionsfeld überlassen, zumal die Rebellen kurz vor neuen Angriffen zu stehen scheinen.« Bereits im April letzten Jahres haben sich die Separatisten aus den Gesprächen zurückgezogen und jede weitere Diskussion von der Anerkennung des Rechts auf Selbstregierung abhängig gemacht. Nach Angaben des ehemaligen indischen Armeegenerals A. S. Kalkat ist die Lage für Colombo vor allem deshalb schwierig, weil die LTTE im Norden und Osten von Sri Lanka längst die Macht in Händen hält und in den von ihr kontrollierten Gebiet sämtliche zivile Verwaltungsaufgaben übernommen hat.

Kalkat, derzeitiger Vorsitzender des in den USA ansässigen International Council on Conflict Resolution und Veteran der indischen Intervention auf der srilankischen Halbinsel und Tamilenhochburg Jaffna, glaubt, daß das zur Zeit diskutierte Abkommen eine Wiederbelebung des Indo-Sri Lanka Peace Accord von 1987 werden wird, allerdings ohne dessen militärische Komponente. Auch ist nach seiner Einschätzung allein Indien in der Lage, dem Prozeß der srilankischen Friedensgespräche eine neue Richtung zu geben. »Norwegen meint es sicher gut, aber die LTTE weiß sehr wohl, daß Oslo nicht als Garant eines Friedens auftreten kann«, so Kalkat.

Indien hatte sich mit seinem früheren Einsatz nicht nur auf der Jaffna-Halbinsel und bei den 45 Millionen ethnischen Tamilen im lediglich durch die 35 Kilometer breite Palk-Straße von Jaffna getrennten indischen Unionsstaat Tamil Nadu unbeliebt gemacht, sondern auch bei der srilankischen Bevölkerungsmehrheit der Singhalesen. Sie sahen sich in ihrer Souveränität eingeschränkt. Schon deshalb meint Kalkat, daß Indien schlecht beraten sei, sich militärisch erneut einbinden zu lassen. »Es kann keine militärische Lösung für ein politisches Problem geben«, betont er.

* Aus: junge Welt, 16. November 2004


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