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Luftangriffe auf Jaffna

Humanitäre Katastrophe im Norden Sri Lankas. Regierung setzt weiter auf militärische Gewalt gegen die Tamilengebiete

Von Amantha Perera (IPS), Colombo *

Im Norden Sri Lankas bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an. Eine halbe Million Menschen auf der Halbinsel Jaffna ist von allen Versorgungswegen abgeschnitten, seit vor zwei Monaten die Regierung ihre Militäroffensive startete. Der Waffenstillstand vom Februar 2002, der drei Jahrzehnte Bürgerkrieg beenden sollte, existiert nur noch auf dem Papier, und alles deutet darauf hin, daß Colombo seine Angriffe bis zu den für Ende Oktober vereinbarten neuen Verhandlungen fortsetzen will: Um Fakten zu schaffen und die tamilische Befreiungsbewegung LTTE zu schwächen. Zuletzt starben nach Regierungsangaben bei schweren Gefechten am Mittwoch 129 Soldaten und 200 Rebellen.

Dramatische Situation

Zu den fortgesetzten Luftangriffen auf Jaffna kamen an den vergangenen Tagen schwere Auseinandersetzungen bei Makerni im östlichen Bezirk Batticaloa. Dorthin haben sich rund 34 000 Menschen gerettet, die nach Kämpfen um Muttur, nördlich von Trincomalee, geflohen waren. Hilfsorganisationen warnen, daß Versorgungsgüter der Regierung in den Gebieten in Jaffna allenfalls sporadisch ankommen und sehen dramatische Folgen für die dortige tamilische Bevölkerungsmehrheit. Lars Solvberg, neuer Leiter der Beobachtermission der nordischen Staaten für Sri Lanka (SLMM), die den Waffenstillstand von 2002 überwacht, beschreibt die Situation in den Tamilengebieten als »absolut inakzeptabel«.

Die Regierung in Colombo allerdings hält die Versorgung Jaffnas für ausreichend. Bis zum Ende der ersten Oktoberwoche sind nach ihren Angaben 10000 Tonnen Nahrungsmittel auf der Halbinsel eingetroffen, genug für einen Monat. »Es gibt keinen Engpaß und hat keine Klagen gegeben«, erklärte S. D. Divarathana, der die Lieferungen koordiniert. Mit den Erkenntnissen der Vereinten Nationen deckt sich das nicht. So geht die Welternährungsorganisation FAO davon aus, daß im August und September nicht mehr als 6000 Tonnen Hilfsgüter in Jaffna eingetroffen sind, etwa die Hälfte dessen, was nötig ist – weitere Transporte werden von Colombo blockiert.

Kritik an Colombo

Derweil wird die Situation auch für die internationalen Hilfsorganisationen immer kritischer. Erst unlängst hat sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) als Begleiter der Schiffe in Richtung Norden zurückgezogen. Zuvor hatten die LTTE (Befreiungstiger von Tamil Eelam) gewarnt, sie könnten die Sicherheit der Begleiter nicht länger garantieren. Auch andere Hilfsorganisationen haben unter den Militärattacken auf die Tamilengebiete zu leiden. So sind am 5. August 17 Mitarbeiter der »Aktion gegen den Hunger« erschossen worden. Jetzt weigert sich die srilankische Regierung, einen Vertreter der Internationalen Juristenkommission (ICJ) einreisen zu lassen, der die Untersuchung des Massakers hätte beobachten sollen.

»Es ist sehr bedauerlich, daß sich die Regierung entschlossen hat, einen unabhängigen internationalen Beobachter abzuweisen«, heißt es in einer Stellungnahme von ICJ-Generalsekretär Nicholas Howen. Es wäre für Colombo sehr wichtig zu zeigen, daß die Untersuchungen offen, transparent und glaubwürdig seien, so der ICJ-Chef weiter. Die UN hätten größte Zweifel an der Verläßlichkeit der srilankischen Untersuchungsmethoden.

* Aus: junge Welt, 13. Oktober 2006


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