Bedroht, verhaftet, ermordet
Sri Lanka in Zeiten des Krieges: Verfolgung von Journalisten an der Tagesordnung
Von IPS-Colombo/Raoul Wilsterer *
Auch am Montag versuchte die Armee Sri Lankas im tamilischen Norden, die
Befreiungsbewegung LTTE militärisch zu besiegen. Betroffen davon sind
weiterhin etwa 50000 im Kampfgebiet eingeschlossene Menschen. Wie die
Lage sich dort konkret darstellt, ist nicht bekannt: Internationalen
Organisationen und Journalisten ist der Zugang zur Region vollständig
untersagt – und das seit anderthalb Jahren. In Zeiten des Krieges stirbt
auch die Wahrheit, heißt es.
Auch in den anderen Teilen des südostasiatischen Landes steht es um
demokratische Rechte und insbesondere die Pressefreiheit schlecht. Wer
über die zivilen Opfer des Konflikts berichtet oder auch nur der
tamilischen Minderheit angehört, läuft Gefahr, bedroht, verhaftet,
verschleppt oder ermordet zu werden. Die Zugehörigkeit zu der Ethnie
brachte dem Redakteur N. Vithiyatharan, der für die Zeitungen Uthayan
und Sudar-Oli schreibt, eine zweimonatige Gefängnisstrafe ein. Er war
mit einem Luftangriff der LTTE (Befreiungstiger von Tamil Eelam) in der
srilankischen Hauptstadt Colombo in Verbindung gebracht worden. Am 24.
April kam er aufgrund mangelnder Beweise wieder auf freien Fuß.
Vithiyatharan sieht in der Haftstrafe den Versuch, ihn davon abzuhalten,
über das Leid der tamilischen Zivilbevölkerung zu berichten.
Seit Staatspräsident Mahinda Rajapakse den Kampf gegen die LTTE
verschärft hat, sind in den vergangenen 18 Monate Tausende Menschen –
Kämpfer und Zivilisten – ums Leben gekommen oder verletzt worden. Schon
bevor es der Armee gelungen ist, die LTTE-Kämpfer aus ihrem
Hauptquartier in Kilinochchi und anderswo zu vertreiben, wurden Reporter
nicht in die Konfliktzonen vorgelassen. Iqbal Athas, der preisgekrönte
Kriegskommentator der Sunday Times, der für seine Berichte über das
srilankische Militär berühmt wurde, hat seit Wochen keine Kolumne mehr
geschrieben und hält sich Gerüchten zufolge derzeit im Ausland auf.
Nach Ansicht von Jehan Perera, Geschäftsführer des Nationalen
Friedensrats (NPC), dient die Geheimhaltung der hohen Opferzahlen dazu,
die Bevölkerung bei Laune zu halten, die das Vorgehen der Regierung
weitgehend befürwortet. Ebenso wie die internationale Gemeinschaft wisse
sie nicht, was sich an der Front abspiele. Würde sie über die
möglicherweise hohen zivilen Opfer informiert, könnte der Rückhalt für
die Militäroperation schwinden.
Daß die Regierung mit ihrer militärischen Erfolgsgeschichte weite Teile
der Bevölkerung hinter sich bringen konnte, läßt sich am Ausgang der
Regionalwahlen in der Western Province am 25. April ablesen. Rajapakses
Partei siegte mit zwei Dritteln der Stimmen und verschaffte der
oppositionellen Vereinigten Nationalpartei in deren Hochburg Colombo
eine schwere Niederlage.
Perera zufolge könnten Berichte über die zivilen Opfern Proteste
auslösen, ähnlich derer, die sich in den vergangenen Monaten am
restriktiven Umgang mit den Medien entzündeten. Im Februar verurteilten
Journalistenverbände aus dem asiatisch-pazifischen Raum auf einem
Treffen in Hongkong den Mord an dem prominenten Redakteur Lasantha
Wickrematunge, den Anschlag auf Einrichtungen des unabhängigen
Rundfunksenders Sirasa TV, die Messerattacke auf einen Zeitungsredakteur
und seine Frau sowie verbale Drohungen von Ministern und anderen
Regierungsvertretern.
»Sri Lankas prominenteste Journalisten haben aus Angst um ihr Leben das
Land verlassen«, klagte das srilankische Presseinstitut. Der größte
Journalistenverband des südostasiatischen Landes verfügt über einen
Fonds, aus dem Auslandsaufenthalte von Journalisten, deren Leben in
ihrem Heimatland bedroht ist, finanziert werden.
Am 1. Februar hatte Verteidigungsminister Gotabaya Rajapaksa
ausländischen Medien mit »ernsten Konsequenzen« und der Ausweisung aus
Sri Lanka gedroht, sollten sie sich nicht »verantwortungsvoll«
verhalten. Er warf einigen internationalen Nachrichtenorganisationen
Einseitigkeit in ihrer Berichterstattung über Übergriffe auf Zivilisten
in den Konfliktregionen vor.
* Aus: junge Welt, 5. Mai 2009
Zurück zur Seite Sri Lanka
Zur Seite "Medien und Krieg"
Zurück zur Homepage