Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schwere Kämpfe in Sri Lanka

Keine Vermittlung nach Ende der Waffenruhe

Von Hilmar König, Delhi *

Der Entscheidung der Regierung Sri Lankas, einseitig das Friedensabkommen aus dem Jahre 2002 mit den tamilischen Befreiungstigern (LTTE) offiziell zu kündigen, folgten am Sonnabend schwere Gefechte im Norden des Landes, bei denen laut Angaben des Militärs der Geheimdienstchef der Rebellen sowie 25 Guerilleros getötet wurden.

Die Mitglieder der skandinavischen »Sri Lanka Monitoring Mission«, die das 2002 unter Mitwirkung Norwegens geschlossene Waffenstillstandsabkommen überwachen sollten, haben am Wochenende begonnen, ihre Sachen zu packen. Sie müssen bis Mitte des Monats Sri Lanka verlassen haben. Dann legt Colombo den Pakt über den Waffenstillstand zu den Akten. Ein Aufschrei der Empörung begleitet diese Entscheidung. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Minority Rights Group International befürchten eine drastische Zunahme von Verletzungen der Menschenrechte und eine generelle Eskalation von Gewalt. Jetzt sei es um so dringlicher, dass die UNO in Sri Lanka eine Überwachungsfunktion erhält, was Colombo bis dato energisch ablehnt. In einer gemeinsamen Erklärung verweisen die Außenminister Norwegens, Schwedens, Dänemarks, Finnlands und Islands darauf, dass die Monitoring Mission in den ersten drei Jahren ihres Bestehens immerhin rund 10 000 Menschenleben gerettet hat. Japan als eines der engagiertesten Geberländer bekundete ebenfalls »tiefe Besorgnis« über die jüngste Entwicklung.

Mitte voriger Woche hatte die Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse den offiziellen Ausstieg verkündet, eine nicht überraschende Konsequenz aus der militärischen Offensive, die seit fast einem Jahr erst im Osten und jetzt im Norden Sri Lankas läuft. Sie ermutigt die Regierung, nun eine Lösung des 1983 offen ausgebrochenen ethnisch-sozialen Konflikts mit Waffengewalt zu erzwingen. 70 000 Menschen fielen dem Krieg inzwischen zum Opfer.

Am Freitag signalisierte der srilankische Außenminister Rohita Bogollagama, dass Colombo auch an der Vermittlung Norwegens kein Interesse mehr habe. »Neue Umstände« machten eine »neu definierte Rolle« für Oslo notwendig, meinte er. Das Waffenstillstandsabkommen sei von »Anfang an fehlerhaft« gewesen. Man werde weiter die »Geißel des Terrorismus« ausmerzen und gleichzeitig an einer »praktikablen und nachhaltigen politischen Lösung« arbeiten.

Den letzten Teil dieser Aussage bezweifeln inzwischen nicht nur die Rebellen, sondern auch viele Beobachter im Ausland. Als Rajapakse Ende 2005 an die Macht kam, ließ das Bemühen um eine Verhandlungslösung des Konflikts schlagartig nach. Auf beiden Seiten setzte man wieder auf kriegerische Mittel. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Waffenstillstandsabkommen bereits Makulatur und die Monitoring Mission verlor Schritt für Schritt ihre Autorität.

LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran selber bezeichnete im November 2006 in seiner bisher letzten öffentlichen Rede illusionslos den Friedensprozess als Zeitverschwendung, obwohl ihm klar zu sein scheint, dass die Streitkräfte in den vergangenen zwölf Monaten der Guerilla in bisher noch nicht erlebtem Ausmaß zugesetzt haben. Mit dem Tod des Geheimdienstchefs »Oberst Charles« müssen die Befreiungstiger jetzt einen weiteren schmerzlicher Verlust verkraften. Ende vorigen Jahres war bereits bei einem Bombardement der srilankischen Luftwaffe der Leiter der politischen Abteilung der Rebellen, S.P. Tamilchelvan, ums Leben gekommen. Die einzige Antwort, zu der die LTTE noch in der Lage scheint, sind Selbstmordanschläge in Colombo und anderen Städten, bei denen meistens Zivilisten ums Leben kommen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Januar 2008

Kriegserklärung aus Colombo: Waffenstillstand nunmehr offiziell beendet

Tag zwei nach der folgenreichen Entscheidung: Lächelnd schritt Sri Lankas Außenminister Rohitha Bogollagama am Freitag (4. Januar) zu neuen Taten (Foto). Am Mittwoch (2. Januar) hatte die Regierung seines Landes einen bisher unerklärten Krieg legalisiert. Bogollagama: Der Waffenstillstand mit den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) vom Februar 2002 werde zum 16. Januar 2008 offiziell beendet. Er sei »durch die ausufernde Gewalt gegenstandslos« geworden.

Eine »Haltet den Dieb«-Begründung: In der Vergangenheit hatte die srilankische Regierung nicht nur die Versuche von UN, Hilfsorganisationen und internationaler Monitorengruppe sabotiert, doch noch zu einer friedlichen Lösung des sozial-ethnischen Konflikts zu kommen. Auch griff deren Armee seit über anderthalb Jahren zu Boden wie aus der Luft immer wieder die von der Befreiungsbewegung kontrollierten Gebiete im Norden und Osten der Insel an – politisch und militärisch unterstützt vom Westen unter Führung der US-Protagonisten des »Antiterrorkampfes«. Hunderte Menschen starben, Hunderttausende befinden sich auf der Flucht.

Von der LTTE lag am Freitag (4. Januar) noch keine Stellungnahme zur erneuerten srilankisch-singhalesischen Kriegserklärung vor. Die tamilische Agentur TamilNet zitierte lediglich aus einer Grundsatzrede von Tiger-Chef Velupillai Prabhakaran. Darin hatte dieser Ende November konstatiert, daß das »Regime« von Premierminister Ratnasiri Wickramanayake – »allzu vertrauend auf einen Sieg über die tamilische Freiheitsbewegung« – wieder »den militärischen Weg« beschritten und »den Weg des Friedens aufgegeben« habe.

Am Freitag (4. Januar) forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine umgehende Entsendung von Beobachtern der Vereinten Nationen. Mit dem Ende der Waffenruhe verliert die unabhängige skandinavische Beobachtermission für Sri Lanka ihr Mandat und muß abziehen. In deren Namen erklärte der norwegische Minister Erik Solheim: »Ich bedauere, daß die srilankische Regierung diesen schwerwiegenden Schritt ergreift.« Die USA präsentierten sich »besorgt«: Beide Seiten sollten »eine Eskalation der Feindseligkeiten« vermeiden.

*Aus: junge Welt, 5. Januar 2008




Zurück zur Seite Sri Lanka

Zurück zur Homepage