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Zeichen stehen auf Krieg

Sri Lanka: Spannungen zwischen Regierung und tamilischen Befreiungstigern wachsen. Kaum lösbare Aufgabe für norwegischen Vermittler

Von Hilmar König

Die Zeichen in Sri Lanka stehen unverkennbar auf Krieg. An dieser verbreiteten Ansicht ändert auch die Tatsache nichts, daß die Regierung in Colombo den tamilischen Befreiungstigern (LTTE) inzwischen ein Angebot zur Wiederaufnahme von Gesprächen unterbeitet hat und bislang vergeblich auf eine Reaktion wartet. Angeblich bestehen »unüberbrückbare« Auffassungen über den Ort eines Treffens. Die Tiger befürworten Oslo oder eine andere europäische Metropole, die Regierung eine Stadt in Asien. Aber der Streit scheint nur ein Vorwand dafür zu sein, nicht miteinander zu reden.

Die Notwendigkeit dafür liegt angesichts der Spirale der Gewalt freilich auf der Hand. Allein in den vergangenen vier Wochen kamen bei Anschlägen mindestens 65 Sicherheitsbeamte und mehr als 50 Zivilisten ums Leben. Von LTTE-Seite fehlen konkrete Angaben über deren Verluste. Die meisten Attacken werden den Befreiungstigern angelastet, auch wenn diese ihre Unschuld beteuern und darauf verweisen, daß die Anschläge in Gebieten verübt wurden, die nicht unter ihrer Kontrolle stehen. Im Gegenzug beschuldigen sie die Streitkräfte, mit Kommandos des abtrünnigen einstigen LTTE-Kommandeurs Oberst Karuna zu kollaborieren und Sympathisanten und Aktivisten der Befreiungsbewegung ins Visier zu nehmen.

Auf dieser Basis wird es zu keinem Dialog kommen. Deshalb steht der norwegische Vermittler Erik Solheim bei seinem Besuch Ende des Monats vor der kaum lösbaren Aufgabe, die Friedensgespräche wieder in Gang zu bringen. Die LTTE hat nach eigenem Bekunden jegliches Vertrauen in die Regierung in Colombo und in Repräsentanten der singhalesischen Mehrheit verloren, nachdem ein bereits ausgearbeiteter Plan zur Tsunami-Hilfe auch für die tamilischen Gebiete im Norden und Osten vom Obersten Gericht Sri Lankas verworfen worden war. Als die Befreiungstiger bei den Präsidentenwahlen im November 2005 nicht den »Friedensapostel« Ranil Wickremasinghe, sondern den Falken Mahinda Rajapakse unterstützten, war das bereits ein unvermißverständliches Signal, daß sie sich zur Konfrontation, ja zur Rückkehr zum Krieg, entschlossen hatten. Die nachfolgende Entwicklung bestätigte das nur. Und nun müßte ein Wunder geschehen, die Befreiungstiger von diesem Kurs zunehmender militärischer Konfrontation abzubringen. Solheim hat dieses Wundermittel wohl nicht in seinem Reisegepäck.

Präsident Rajapakse sonnt sich dagegen im Lob der skandinavischen Sri Lanka Monitoring Mission, die die im Jahre 2002 geschlossene Waffenruhe überwacht bzw. deren Verletzungen registriert. Das Lob bezieht sich auf die bisher gezeigte »Zurückhaltung« der Streitkräfte auf die Nadelstiche der LTTE. Rajapakse warnte, man solle seine Geduld, die buddhistischen Werten entspringe, nicht als Schwäche mißverstehen. Alle nötigen Maßnahmen würden ergriffen, um »weitere Terrorattacken, die die Waffenruhe und den Friedensprozeß sowie die Sicherheit des Landes untergraben, zu unterbinden«. Mit anderen Worten: Die Armee bereitet sich ebenfalls auf den Krieg vor.

* Aus: junge Welt, 12. Januar 2006


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