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Der Präsident provoziert

Tamilische Befreiungstiger als "Terroristen" bezeichnet. Kein Wort zum ethnisch-sozialen Konflikt auf Sri Lanka. Militärische Offensive fortgesetzt

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse appellierte auf der 14. Konferenz der Staats- und Regierungschefs Südasiens, die am gestrigen Mittwoch in Neu-Delhi zu Ende ging, gemeinsam an einer »Strategie gegen Terrorismus« zu arbeiten. Diese sei notwendig, da es sich um ein globales Problem handele. Als Beispiel führte der Präsident den jüngsten Luftangriff der tamilischen Befreiungstiger (LTTE) Ende März auf den srilankischen Militärstützpunkt Katunayake bei Colombo an. Dieser habe bewiesen, daß die gesamte südasiatische Region »vor Terroranschlägen nicht sicher« sei.

Aus Rajapakses Rede ließ sich heraushören, daß er die Befreiungstiger als »Terroristen« versteht. Zum ethnisch-sozialen Konflikt mit der tamilischen Minderheit oder gar zu deren Hoffnungen auf ein gleichberechtigtes Dasein in Sri Lanka äußerte der Präsident kein Sterbenswörtchen. So verwundert nicht, daß der politische Leiter der LTTE, S.P. Thamilselvan, umgehend kritisierte, Rajapakse habe die legitimen Rechte der Tamilen in seiner Rede in Neu-Delhi völlig ignoriert. Er bezeichnete es als unabdingbar, daß »die Stimme des tamilischen Volkes gehört wird«. Die LTTE sei gegenwärtig gezwungen, »die Aggression des Militärs Sri Lankas zu kontern«. Thamilselvan sprach von einem »Genozid-Krieg« gegen die Tamilen.

Wie zum Beweis dafür hält Colombo an seinem Kriegskurs fest. Militärsprecher Brigadier Prasad Samarasing äußerte: »Uns bleibt keine andere Option, als unsere Operationen zu intensivieren, um ihre Waffen zum Schweigen zu bringen.« Allein am Dienstag seien im östlichen Batticaloa-Distrikt 23 Rebellen bei Gefechten getötet worden, verlautete von Regierungsseite am Mittwoch.

Wegen der anhaltenden Kämpfe verschärft sich das Flüchtlingsproblem zusehends. Nach jüngsten Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge mußten seit Dezember vorigen Jahres 160000 Menschen ihre Heimatgebiete, vor allem im tamilischen Osten des Landes, verlassen. Sie leben unter teils katastrophalen Verhältnissen in Notlagern, im Freien oder bei Verwandten. Ihre Versorgung mit dem Nötigsten wird immer komplizierter. »Die intensiven täglichen Feuergefechte halten an und gefährden die Zivilbevölkerung sowie die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen,« stellte dazu das Komitee der Nichtregierungsorganisationen fest, die in Sri Lanka tätig sind. Allein im umkämpften Distrikt Batticaloa seien 174 Helfer von 45 internationalen Organisationen im Einsatz.

Indes erklärte am Dienstag Ranil Wickremasinghe, der Chef der oppositionellen Vereinten Nationalpartei, vor dem Parlament in Colombo, der singhalesisch-tamilische Konflikt sollte durch Dialog und nicht mit militärischen Mitteln beendet werden. Ähnlich äußerte sich der Leiter des Nationalen Friedensrates Sri Lankas, Jehan Perera: »Wir sehen keine politische Zukunft für unser Land, wenn die Regierung auf dem Pfad der militärischen Konfrontation mit der LTTE bleibt. Die einzige Option ist, zum Friedensprozeß zurückzukehren.«

* Aus: junge Welt, 5. April 2007


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