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"Intensiver Krieg wie nie zuvor"

Sri Lanka: LTTE-Chef spricht zum "Heldentag"

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Von der terroristischen Frontal­attacke auf die südwestindische Metropole Mumbai überschattet, hielt Velupillai Prabhakaran, der Chef der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), am 27. November seine traditionelle Ansprache zum »Maveerar Naal«, dem Heldentag. Während die Offensive des srilankischen Militärs im Norden gegen von den Rebellen kontrollierte Gebiete - trotz widriger Witterungsumstände, trotz exessiver Monsunniederschläge und ausgedehnter Überschwemmungen - andauerte, sprach Prabhakaran von irgendwo aus der Wanni-Region zu den Angehörigen der tamilischen Minderheit, zum Nachbarn Indien und zur Weltöffentlichkeit. Das allein gilt als Beweis der Widerstandskraft der LTTE, denn Colombos erklärte Absicht war, daß am »Heldentag« über Kilinochi, dem Verwaltungszentrum der Tamiltiger, die Nationalflagge Sri Lankas wehen sollte. Dies gelang nicht, auch wenn das Militär inzwischen bedrohlich dicht vor Kilinochi operiert.

Der LTTE-Chef gab zu, daß ein »intensiver Krieg wie nie zuvor« tobt, weil der von der singhalesischen Mehrheit dominierte Staat eine militärische Lösung des Konflikts anstrebt. Doch mit den vereinten Kräften des Volkes werde man auch dieser Herausforderung widerstehen. Seine Organisation führe einen »Verteidigungskrieg für die Freiheit unseres Volkes«, sagte er und betonte: »Wir waren niemals gegen die Anwendung friedlicher Mittel und haben nie gezögert, an Friedensgesprächen teilzunehmen.« Er fuhr fort: »Auch wenn der bewaffnete Kampf uns durch unvermeidliche Umstände aufgezwungen wurde, wünschen wir doch, den Krieg zu stoppen und eine friedliche Lösung der nationalen Frage unseres Volkes anzustreben.« Er unterstrich die alte Position der Befreiungstiger, daß die srilankischen Tamilen eine eigene Nation bilden: »Es ist wahr, Tamil Eelam ist eine kleine Nation auf dem Globus. Dennoch ist es eine Nation mit großem Potential, mit charakteristischer Individualität. Sie hat eine eigene Sprache, ein kulturelles Erbe und eine Geschichte.« Das alles wolle der Sinhala-Staat zerstören. Aber die tamilische Freiheitsbewegung werde das verhindern.

In der Rede wurden die Ereignisse in Mumbai nicht erwähnt. Im Gegensatz dazu nutzte Staatspräsident Mahinda Rajapkse die Tragödie im Nachbarland, um die dort erlebte Terroroperation mit dem Kampf der LTTE gleichzusetzen, dem ein ethnisch-soziales Problem zugrunde liegt, das bislang von noch keiner Regierung in Colombo ehrlich und ernsthaft angepackt worden ist.

Offensichtlich wurde in Prabhakarans Rede, daß die LTTE große Hoffnungen in Indien setzt, wenigstens eine Waffenruhe durchzusetzen. Er bezeichnete den großen Nachbarn im Norden als »Superpower«, die von den Rebellen niemals als feindliche Macht betrachtet worden sei (auch wenn Ende der 1980er Jahre indische »Friedenstruppen« und Tamiltiger sich erbittert bekämpften und bewiesen ist, daß die LTTE die Verantwortung für die Ermordung Rajiv Gandhis im Jahre 1991 trägt).

Neu-Delhi, so Prabhakaran, solle das Verbot der LTTE aufheben und den Druck auf Colombo in Richtung einer Waffenruhe erhöhen. Doch Indien hält sich weiter bedeckt und engagiert sich offiziell nicht in dem Konflikt in Sri Lanka. Immerhin besteht jedoch im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu inzwischen eine breite politische Bewegung, der das Schicksal der ethnischen Brüder in Sri Lanka, darunter nahezu 300000 notleidende Kriegsflüchtlinge, am Herzen liegt und Initiativen von der indischen Regierung fordert. Erstmals im Verlaufe der im Januar begonnenen Militäroffensive hat dieser Tage die radikal-singhalesische Partei Jathika Hela Urumaya durch ihren Mediensprecher die Meinung geäußert, wenn Neu-Delhi den Druck auf Colombo intensiviere, bliebe keine andere Alternative als ein Waffenstillstand. Doch Rajapakse wähnt sich kurz vor dem »Endsieg«, den er bis Jahresende erbombt haben will.

* Aus: junge Welt, 4. Dezember 2008


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