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Krieg in Sri Lanka tobt weiter

Nach 48 Stunden löchriger Waffenruhe

Von Hilmar König, Delhi *

Seit Samstagnacht (31. Jan.) tobt in Sri Lanka wieder der Krieg. Die 48 Stunden »Waffenruhe« konnten nur wenige Zivilisten nutzen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Sri Lankas Staatspräsident Mahinda Rajapakse hatte am 29. Januar den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) ein »Ultimatum« gestellt, die Waffen 48 Stunden schweigen zu lassen, damit Zivilisten die Gefechtszone verlassen und sich auf Regierungsgebiet begeben könnten. Doch auch während der Ultimatumsfrist wurde weiter geschossen und bombardiert. Kein Wunder, dass sich der Flüchtlingsstrom durch vermintes Gebiet mit etwas mehr als 100 Personen in bescheidenen Grenzen hielt. Seit der Einnahme Kilinochchis am 2. Januar und Mullaithivus am 25. Januar durch Regierungstruppen wechselten lediglich ein paar hundert Zivilisten auf Regierungsgebiet. Trotzdem gleichen beide Ortschaften Geisterstädten. Dort patrouillieren nur Soldaten.

Die Regierung in Colombo beschuldigt die LTTE, die auf 150 000 geschätzten Zivilisten am Verlassen der Kriegszone zu hindern, sich also hinter »menschlichen Schutzschilden« zu verschanzen und so gedeckt auf die angreifenden Soldaten zu feuern. Der Politchef der Rebellen, B. Nadesan, wies das als reine Propaganda zurück, mit der die Armee ihre rücksichtslose Offensive bemänteln wolle. Die Tamiltiger nähmen keine zivilen Geiseln und nutzten keine menschlichen Schutzschilde. Wie politische Beobachter betonen, sei es auch schwer vorstellbar, dass die stark dezimierten Rebellen, die ums eigene Überleben kämpfen, allein vom Personal her 150 000 Menschen in Schach halten könnten. Viele Zivilisten würden der Regierungsseite einfach nicht trauen. Amnesty International und Human Rights Watch erklärten, beide Seiten brächten Zivilisten in Gefahr. Das Kinderhilfswerk UNICEf beklagte, dass die Anzahl der bei den Gefechten getöteten Kinder spürbar zunehme.

Nadesan forderte einen international initiierten Waffenstillstand und anschließende politische Verhandlungen zur Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts. Die LTTE hat am Wochenende mit Selvarasa Pathmanathan einen ihrer prominenten Führer zum Chef der neu gebildeten Abteilung für internationale Beziehungen ernannt – offensichtlich ein Signal an eventuelle ausländische Vermittler. Doch die Zeit für Verhandlungen scheint längst abgelaufen zu sein. Colombo, das wiederholt Präsident Rajapakse bei jeder Gelegenheit, bleibe auf Kriegskurs, koste es, was es wolle. Er nennt das »Ausrottung des Terrorismus«.

Die LTTE hatte 2002 mit dem Abschluss des Waffenstillstandsabkommens und zuvor bei sporadischen, von Norwegen vermittelten und geförderten Verhandlungen mit Regierungsvertretern die große Chance, wenigstens eine Art Selbstverwaltung im tamilischen Siedlungsgebiet zu bekommen. Aber in einer Fehleinschätzung der Lage, der Überschätzung der eigenen militärischen Kapazitäten und durch das Bestehen auf dem Maximalziel – Schaffung eines separaten Staates »Tamil Eelam« – verspielten die Befreiungstiger diese Chance. Heute diktiert Colombo aus einer Position der Stärke das Geschehen. Rajapakse hat alle Trümpfe in der Hand. Er könnte den ethnisch-sozialen Konflikt zwischen Singhalesen und der Minderheit der Tamilen lösen, in dem er Letzteren in ihrem Siedlungsgebiet weit gehende Autonomie und Gleichberechtigung gewährt. Tut er das nicht, sichert er das Überleben der LTTE. Diese würde in der Perspektive wieder an Einfluss gewinnen und sich allmählich erneut zur einzigen militanten Widerstandsbewegung der Tamilen formieren.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Februar 2009


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