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Colombo stoppen

Krieg im Tamilengebiet: Zehntausende fordern internationale Maßnahmen gegen Sri Lankas Regierung

Von Scott McDonald, Colombo, und Raoul Wilsterer *

Allen internationalen Protesten zum Trotz bleibt die srilankische Regierung weiter stur auf Kriegskurs. Ihr Ziel ist, so Colombos Replik auf EU-Forderungen nach einem Waffenstillstand, die »tamilischen Terroristen«, wie sie die Befreiungstiger von Tamil Eelaam (LTTE) zu nennen pflegt, »restlos zu vernichten«. Zudem würde ein Innehalten den Rebellen nur erlauben, sich »neu zu formieren«, meinte Außenminister Palitha Kohona – eine erbarmungslose Haltung, die sich nicht nur gegen die LTTE-Guerilla, sondern auch gegen die – geschätzt – bis zu 250000 Zivilisten richtet, die sich in der umkämpften Region im Nordosten aufhalten.

Die EU hatte am Dienstag (17. März) sowohl Colombo als auch LTTE dazu aufgerufen, »humanitäre Hilfe in das Kampfgebiet« zu lassen. Die Lage für die dort eingeschlossene Zivilbevölkerung sei »sehr gefährlich«, sorgte sich EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner. Daß die LTTE längst erklärtermaßen zu einer Waffenruhe bereit ist, erwähnte sie ebensowenig wie dies bereits am Freitag Navi Pillay, UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, für nötig erachtete. Statt dessen erfolgte auch von deren Seite aus lediglich der hilflose, weil gleichberechtigt an beide »Konfliktparteien« gerichtete Appell, »das Feuer einzustellen« zwecks Evakurierung der Zivilbevölkerung.

Der einseitig von Colombos Armee (SLA) erklärte Krieg – die srilankische Regierung hatte im Januar 2008 den 2002 geschlossenen Waffenstillstand mit der LTTE offiziell beendet – sorgte unterdessen in den vergangenen Tagen für zunehmende öffentlichen Widerstand. Neben dem Dauerprotest großer Teile der Bevölkerung im indischen Bundesstaat Tamil Nadu ragten dabei drei große Demonstrationen heraus: Am Montag gingen im kanadischen Toronto »annähernd 75000 Menschen« – so die tamilische Agentur TamilNet am Dienstag, auf die Straße, um ein »Ende des Völkermords« zu verlangen. Gewarnt wurde vor einer »humanitären Katastrophe« (Tageszeitung National Post). Die kanadische Regierung solle endlich aktiv werden, um einen Beitrag zu leisten, den Krieg gegen die Tamilen zu stoppen (Toronto Sun).

In Genf forderten etwa 10000 Demonstranten am Montag (16. März), daß »die internationale Gemeinschaft« einschreiten müsse, um das »tamilische Volk zu retten«. Die Demonstranten machten »mit Spruchbändern und Fahnen auf ihr Anliegen aufmerksam, einige trugen Tiger-Kostüme«, so die Agentur SDA. In Brüssel waren es am selben Tag »über 5000« Menschen, wie AP meldete, die vor allem die EU dazu aufforderten, endlich aktiv zu werden und Colombo unter Druck zu setzen.

TamilNet berichtete derweil am Dienstag (17. März) davon, daß die Provinzdirektoren von Kilinochchi und Mullait im Norden Sri Lankas beim Gesundheitsministerium massiv darauf gedrängt hätten, Medikamentenlieferungen des Internationalen Roten Kreuzes in die umkämpfte Stadt Vanni zuzulassen. »Wir waren schockiert und fühlten uns niedergeschlagen, als wir vom ICRC informiert wurden, daß keine Medikamente von den Offiziellen des Ministeriums zugelassen wurden«, so die Mediziner.

Am Sonntag (15. März) hatte AP aus einem Hospital der betroffenen Region berichtet, daß dort nicht mehr operiert werden kann: »Es gibt weder Blutkonserven noch Narkosemittel im provisorischen Krankenhaus«. »Wir haben keine Binden oder Mull, wir zerreißen Bettlaken, um Wunden zu verbinden, und nutzen Äste von Palmen, um Brüche zu stützen«, erläuterte Dr. Thurairaja Varatharajah. »Wir brauchen dringend Material.« Allein am Samstag erlagen nach Angaben Varatharajahs vier Patienten ihren Verletzungen. Dutzende warteten auf Behandlung.

* Aus: junge Welt, 18. März 2009


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