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Verzweifelte Lage für Tamilen in Sri Lanka

Colombo kombiniert gnadenlose Militäroffensive mit Beschwichtigungsmanöver

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse täuscht Aktivität vor: Für Donnerstag hat er alle politischen Parteien, einschließlich der Tamilischen Nationalen Allianz, zu einem Treffen eingeladen. Er will über die bestehende Lage beraten lassen. Damit weckt er Hoffnungen auf eine Lösung des seit mehr als drei Jahrzehnten bestehenden ethnisch-sozialen Konflikts, der zum Bürgerkrieg zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit führte. Doch aus Kreisen um das Staatsoberhaupt wurden alle Erwartungen sofort gedämpft. Rajapakse werde keine konkreten Vorschläge auf dem Meeting offerieren. Er sei hingegen an den Vorstellungen der politischen Parteien interessiert.

Somit scheint diese »Initiative« nichts anderes als ein Manöver zu sein, mit dem die internationale Öffentlichkeit beschwichtigt werden soll. Diese verlangt erstens eine Waffenruhe im nördlichen Kriegsgebiet, um die dort gestrandeten Zivilisten versorgen zu können. Zweitens besteht sie auf einer nachhaltigen Lösung des Konflikts. Die Regelung müsse auf Autonomie für jene Gebiete basieren, in denen die Tamilen die Bevölkerungsmehrheit bilden. Und sie solle im Rahmen eines föderalen Einheitsstaates liegen. Bislang ging Mahinda Rajapakse darauf nicht ein.

Er läßt die Militäroffensive im Norden gegen die Befreiungstiger von Tami Eelam (LTTE) gnadenlos fortsetzen und verlangt von der Guerilla eine bedingungslose Kapitulation. Die Rebellen hingegen haben voriges Wochenende ihren Appell erneuert, durch eine Waffenruhe den Nichtregierungsorganisationen humanitäre Hilfe für die Zivilisten im Kriegsgebiet zu ermöglichen. Doch die Bombardierung der angeblichen »Sicherheitszone« hält an. Ihr Status wird von beiden Seiten nicht akzeptiert. Laut einer Erklärung der UN-Menschenrechtskommission wurden in solchen Zonen seit Januar über 2800 Zivilisten getötet und mehr als 7000 verwundet. Colombo weist diese Angaben freilich als »übertrieben« zurück.

Die Streitkräfte kündigten inzwischen an, den »entscheidenden Schlag« gegen das der LTTE verbliebene, etwa 28 Quadratkilometer messende Gebiet vorzubereiten. Vor ein paar Tagen gaben sie eine Erklärung ab, in der behauptet wurde, Augenzeugen hätten LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran und seinen ältesten Sohn in Zivilkleidung in der Gegend um Puthukkudiviruppu gesehen. Beide würden, von Leibwächtern umgeben, in aller Öffentlichkeit die Bürger zum Durchhalten auffordern. Informationsminister Yapa Abeywardena teilte am Wochenbeginn mit, die letzte Phase der Offensive werde im Verlaufe der nächsten 14 Tage beginnen. Sie werde die Entscheidung bringen.

Weiter wurde offiziell berichtet, seit Januar seien rund 50000 Menschen aus der Kriegszone geflüchtet. Nichtregierungsorganisationen schätzen, daß sich dort noch immer 150000 Tamilen aufhalten. Sie befinden sich nach Einschätzung internationaler Organisationen und der UNO ebenso wie die weit über 100000 in Notlagern hinter Stacheldraht hausenden Flüchtlinge in einer katastrophalen und »absolut verzweifelten« Lage.

* Aus: junge Welt, 25. März 2009


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