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Vernichtung einkalkuliert

Sri Lanka verweigert humanitäre Lösung für eingekesselte Tamilen

Von Hilmar König, Delhi *

Während die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens am Mittwoch in Sri Lanka versuchten, Colombo angesichts der katastrophalen humanitären Lage der tamilischen Zivilisten im Kriegsgebiet zur Mäßigung zu bewegen, äußerte Präsident Mahinda Rajapakse, eine Krise existiere nicht. Im Übrigen sei Sri Lanka keine Kolonie.

Sri Lankas Militär berichtete, seine Truppen wären weiter in die weniger als acht Quadratkilometer große sogenannte Nichtfeuerzone eingerückt, in der sich die Reste der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) verschanzt haben und mindestens 20 000 Zivilisten festsitzen. Widersprüchlich sind die Meldungen über den Einsatz schwerer Waffen und Luftangriffe, die das Militär ab Montag einstellen wollte. Die LTTE erklärt, es werde weiter bombardiert, und Dutzende Zivilisten seien ums Leben gekommen. Colombo hingegen behauptet, nur Spezialeinheiten, Kommandotrupps und Scharfschützen im Einsatz zu haben.

John Holmes, der UN-Nothilfekoordinator, erklärte am Dienstag (27. April) zum Abschluss seines Aufenthaltes in Sri Lanka, das Land habe zwei gewaltige Herausforderungen zu meistern: »Es sind noch immer Zehntausende Menschen, die auf einem kleinen Gebiet im Norden in der Falle sitzen, und denen die LTTE nicht erlaubt, diese Zone zu verlassen, in der die Kämpfe andauern.« Die andere Krise zeige sich an den überfüllten Notlagern mit 200 000 Insassen, die vor den Kämpfen flüchteten und sich in miserablem Gesundheitszustand befinden. Holmes, der auch mit Präsident Mahinda Rajapakse sprach, hatte solche Lager besucht. Er verließ Colombo unverrichteter Dinge, denn die angestrebte Einigung über den Zugang von Helfern der UNO und internationaler Nichtregierungsorganisationen in die »Nichtgefechtszone« kam nicht zustande

Der französische Außenminister Bernard Kouchner und sein britischer Kollege David Miliband wollten sich am Mittwoch (28. April) ein Bild von der humanitären Lage im Norden Sri Lankas und in den Flüchtlingslagern machen. Auch erklärten sie, Colombo die wachsende internationale Besorgnis über die Todesgefahr für die Zivilisten in der Konfliktzone vermitteln zu wollen. Erfolg hatten sie dabei offenbar nicht. Der schwedische Außenminister Carl Bildt, der ebenfalls der EU-Friedensmission angehören sollte, erhielt nicht einmal ein Einreisevisum. Der offensichtliche Grund: Stockholm hatte sich einst aktiv an der norwegisch geführten Friedensmission für Sri Lanka beteiligt.

Überhaupt zeigt sich Sri Lankas Regierung wenig interessiert an internationalen Beobachtern und versucht, die menschliche Katastrophe kleinzureden: »Einige glauben, sie können auf unserem Flughafen landen und werden auf einem roten Teppich empfangen. Wir sind keine Kolonie«, so Rajapakse. Sri Lanka wirft dem Westen indirekt vor, mit seiner »humanitären Besorgnis« das überleben der LTTE-Guerilla zu ermöglichen. Seit Monaten blockiert die Armee deshalb den Einsatz von UNO- und anderen Hilfsorganisationen im Kriegsgebiet.

* Aus: Neues Deutschland, 30. April 2009

Letzte Meldungen

Keine Hoffnung auf Frieden in Sri Lanka

Die Hoffnung auf einen baldigen Frieden in Sri Lanka hat sich zerschlagen. Präsident Mahinda Rajapaksa lehnte einen Waffenstillstand am Donnerstag erneut kategorisch ab. Zuvor erklärten die tamilischen Rebellen, dass sie nicht vor den vorrückenden Regierungstruppen kapitulieren würden. Sie forderten stattdessen die internationale Gemeinschaft auf, sich für eine Feuerpause einzusetzen.

Rajapaksa wies dies jedoch scharf zurück. «Ich brauche keine Vorträge von Vertretern des Westens», sagte er einen Tag, nachdem sich der britische und der französische Außenminister in Colombo für einen sofortigen Waffenstillstand eingesetzt hatten. «Die Regierung ist nicht bereit, mit den Terroristen irgendeinen Waffenstillstand zu vereinbaren», sagte Rajapaksa.

Am (heutigen) Donnerstag (30. April) sollte auch ein diplomatische Gesandter Japans eintreffen, um sich für einen Waffenstillstand einzusetzen. Colombo lehnt eine Feuerpause ab, um den in die Enge getriebenen Rebellen keine Ruhepause zu gönnen.

Verteidigungsminister Gotabhaya Rajapaksa, der Bruder des Präsidenten, erklärte unterdessen, der Krieg werde erst enden, wenn Rebellenführer Velupillai Prabhakaran gefangengenommen oder getötet worden sei. Der politische Chef der Rebellen, Balasingam Nadesan, sagte der AP, dass ein Niederlegen der Waffen ein Verrat am Freiheitskampf der Tamilen sei und daher nicht infrage komme.

Die von der internationalen Gemeinschaft geforderte Feuerpause soll den Vereinten Nationen die nötige Zeit geben, Zivilpersonen aus dem Kampfgebiet zu bringen. Schätzungsweise 50.000 sind dort in einem nur noch etwa fünf Kilometer langen Landstrich mit den kämpfenden Rebellen eingeschlossen. Die Regierung und auch Menschenrechtsgruppen werfen den Rebellen vor, die Zivilisten praktisch als Geiseln zu halten. In den vergangenen Monaten sollen bei den Gefechten laut UN fast 6.500 Menschen getötet worden sein.

Nachrichtenagentur AP, 30. April 2009


Sri Lanka: Unbegleiteten Flüchtlingskindern in Lagern droht Missbrauch / Kindernothilfe fordert Zugang für Kinderrechtsorganisationen

Unbegleitete Flüchtlingskinder im Bürgerkriegsgebiet Sri Lankas sind aktuell besonderen Gefahren ausgesetzt. Die Kindernothilfe warnt davor, dass Mädchen und Jungen auf der Flucht und in Lagern von ihren Familien getrennt werden und einem hohen Risiko vor sexueller Ausbeutung und anderem Missbrauch ausgesetzt sind. Auf dem jüngsten Koordinationstreffen aller Hilfsorganisationen wies die zuständige UN-Behörde (OCHA) in Vavuniya ebenfalls auf die Gefahr hin, dass Eltern und Kinder getrennt werden. Dringend erforderlich ist jetzt der ungehinderte Zugang in alle Flüchtlingslager und die Registrierung sowie Begleitung der Minderjährigen.

Dietmar Roller, Auslandsvorstand der Kindernothilfe: "Wir haben von Müttern gehört, die völlig verzweifelt sind. Sie wissen, dass ihre minderjährige Tochter nur 300 Meter entfernt in einem anderen Lagerabschnitt alleine ausharren muss. Das widerspricht unter anderem Artikel 9 der UN-Kinderrechtskonvention. Danach darf ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt werden. Hier muss das singhalesische Militär dringend seine Strategie ändern und Familien zusammenführen." Hintergrund für die restriktive Politik gegenüber den tamilischen Kindern und Jugendlichen ist, dass Hunderte Mädchen und Jungen noch in den letzten Monaten von den tamilischen Rebellen als Soldaten zwangsrekrutiert wurden. Diesen Kindern droht nun ein erneuter Missbrauch.

"Die Situation in den Camps ist verheerend," so Roller. "Die meisten Flüchtlinge tragen nur noch Fetzen Stoff am Leib und sind Sonne, Regen und Wind ohne Schutz ausgesetzt. Dringend benötigt wird auch spezielle Kindernahrung, um Unterernährung zu bekämpfen." Nach Angaben des UN-Koordinierungsbüros OCHA werden in den kommenden Tagen bis zu 100.000 weitere Flüchtlinge erwartet. 50.000 Menschen sollen noch in der umkämpften Zone ausharren.

Die Kindernothilfe hat neben der laufenden Hilfe zusätzlich 50.000 Euro bereitgestellt, um Flüchtlingsfamilien mit Kleidung, Bettwäsche und Nahrungsmitteln zu unterstützen.

Weitere Informationen unter: www.kindernothilfe.de

Quelle: ots, 30. April 2009





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