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Pillay in schwieriger Mission

UN-Menschenrechtskommissarin besucht Sri Lanka

Von Thomas Berger *

In Vorbereitung auf die für September anberaumte nächste Tagung des UN-Menschenrechtsrates befindet sich derzeit die zuständige Hochkommissarin der Vereinten Nationen, Navi Pillay, auf einwöchiger Informationsreise in Sri Lanka. Es sei eine Mission ohne Vorurteile, sagte Pillay kurz nach ihrem Eintreffen in Colombo – offenbar auch als beruhigende Botschaft an die srilankische Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse. Diese hatte sich bislang gegen eine internationale »Einmischung« in die Nachwirkurgen des ein Vierteljahrhundert dauernden Bürgerkriegs mit den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) gewehrt. Der UN-Hochkommissarin zu verwehren, sich persönlich ein Bild von der Lage zu machen, wollte die von nationalistischen Kräften dominierte Zentraladministration des südasiatischen Inselstaates aber nicht riskieren. Noch steht das Detailprogramm von Pillays Tour nicht fest. Allen Wünschen und Forderungen nach einem Treffen mit ihr nachzukommen, wird ihr schon in Anbetracht der begrenzten Zeit nicht gelingen.

Im Mai 2009 hatte Sri Lankas Armee die Rebellen, die seit 1983 einen bewaffneten Kampf für einen eigenen Staat der tamilischen Minderheit im Nordosten der Insel führten, militärisch besiegt. Bis zu 4000 Tote soll es bei den finalen Gefechten gegeben haben, auch nahezu die komplette LTTE-Führung um den gefürchteten Velupillai Prabhakaran war – mutmaßlich von einer Sondereinheit erschossen – dabei ums Leben gekommen. Andere teils ranghohe Kader der Bewegung gerieten in Gefangenschaft, bei einigen verlor sich wenig später jede Spur. Die Zahl der Vermißten kann noch immer nicht eindeutig ausgegeben werden. Jetzt sind es unter anderem Kriegswitwen, die Hinterbliebenen getöteter LTTE-Kämpfer, die unbedingt mit Navi Pillay sprechen und ihre konkreten Vorwürfe loswerden wollen. Geplant ist eine solche Begegnung in jedem Fall – es steht noch nicht fest, wo sie stattfindet. Die Witwen drängen auf einen Termin in Jaffna oder einem anderen Ort im Norden. Sollte die Regierung das Treffen nach Colombo verlagern, fürchten tamilische Verbände, daß die Witwen an der beschwerlichen Reise in die Hauptstadt gehindert werden könnten.

Vorwürfe, der Staat habe nach dem formalen Ende der Kämpfe LTTE-Mitglieder interniert, gefoltert und womöglich sogar ermordet, halten sich seit vier Jahren hartnäckig und sind auch bei einer ersten Recherche durch ein UN-Sonderteam erhärtet worden. Eine von Rajapakse im Mai 2010 eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission (LLRC) wurde von kritischen Gruppen im Inland, internationalen Menschenrechtsorganisationen und auch in UN-Kreisen dagegen als Alibi-Gremium eingestuft. Trotz 1000 Zeugenbefragungen und 5000 schriftlichen Äußerungen hatten die LLRC-Mitglieder in ihrem im November 2011 präsentierten 388seitigen Abschlußbericht jede deutliche Kritik am Verhalten der Armee in der finalen Eskalation des Konflikts vermieden. Bombenabwürfe selbst auf Krankenhäuser und andere Angriffe auf Zivilisten wurden zwar erwähnt, jedoch wurde versäumt, dafür Verantwortliche zu benennen.

Navi Pillay will diese Woche neben der Hauptstadt Colombo unter anderem Jaffna, Regionalzentrum des Nordens, die früher das LTTE-Hauptquartier beherbergende Stadt Kilinochchi und auch die Hafenstadt Trincomalee im Osten besuchen, um sich ein möglichst umfassendes Bild zu verschaffen. Geplant sind auch Gespräche mit Kandidaten der Tamilischen Nationalallianz (TNA) bei den anstehenden Regionalwahlen. Die TNA ist nach dem Ende der LTTE als Sammlungsbewegung von vier tamilischen Parteien die wichtigste politische Interessenvertretung der Minderheit. Kritik kam jedoch schon am Montag von der Kampagne für Freie und Faire Wahlen (CaFFE), einer Nichtregierungsorganisation, die forderte, die Hochkommissarin müsse sich mit Vertretern aller kandidierenden Parteien treffen.

Unterdessen wurde bekannt, daß die Regierung offenbar die bisher dem Verteidigungsministerium unterstellte Polizei einem neu zu schaffenden Ministerium für öffentliche Ordnung und Sicherheit zuordnen will. Dieses soll vom Präsidenten selbst geleitet werden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 28. August 2013


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