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Muslime im Visier

Sri Lanka: Militante Buddhisten hetzen gegen Minderheit

Hilmar König *

Vier Jahre nach dem Sieg der srilankischen Streitkräfte über die tamilischen Befreiungstiger (LTTE) machen chauvinistische Kreise innerhalb der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit und im buddhistischen Klerus jetzt gegen die muslimische Minderheit mobil. Extremistische singhalesische Gruppen wie die »Bodu Bala Sena« (BBS; »Buddhistische Streitmacht«), die seit Monaten landesweit eine antimuslimische Kampagne führen, sind mittlerweile zu Aktionen übergegangen. Sie hetzen und wiegeln nicht nur auf, sondern greifen Moscheen, Schlachthäuser, Bildungseinrichtungen an, hinterlassen provozierende und beleidigende Graffiti an Wänden von Gotteshäusern und anderen Gebäuden. Sie fordern ein Verbot der Zertifizierung von Fleisch, das nach muslimischer Art »halal« zubereitet wird und nur mit diesem Gütesiegel in islamische Länder exportiert werden kann. Sie rufen die Singhalesen auf, Grundbesitz nicht an Muslime zu vermieten und deren Geschäfte zu boykottieren. Jeder Buddhist sollte ein »inoffizieller Polizist gegen muslimischen Extremismus« werden. Dayan Jayatilleka, ein bekannter srilankischer Diplomat, sieht in der BBS eine »ethno-religiöse faschistische Bewegung vom unteren Ende der Sinhala-Gesellschaft«.

»Sinhala Echo«, eine andere radikale singhalesische Gruppierung in Colombo, behauptet, muslimische Geistliche würden Andersgläubige zu bekehren versuchen. Die tamilischsprechende Minderheit hätte zu viele Kinder und würde zu viele Moscheen bauen. Die Singhalesen, so die Aufwiegler, befürchteten eine Übernahme des Landes durch die Muslime. Diese machen laut Volkszählung von 2012 gerade einmal 9,7 Prozent der 20,2 Millionen Einwohner des Landes aus. 70,2 Prozent sind Buddhisten, 12,6 Prozent Hindus und 7,4 Prozent Christen.

Angesichts der Drohungen und Angriffe zeigen sich Vertreter der muslimischen Minderheit zunehmend besorgt. Mufti Rizwe, Präsident der »All Ceylon Jamiyyathul Ulama«, einer Vereinigung von Geistlichen, äußerte gegenüber BBC: »Wir fühlen uns überall im Land bedroht.« Der Muslimrat Sri Lankas richtete einen Brief an Staatspräsident Mahinda Rajapakse und verwies auf Medien und Gruppen, die Gerüchte und Unwahrheiten verbreiten würden, um ein Gefühl des Hasses gegen Muslime zu wecken. Der Rat fordert den Präsidenten auf, die Polizei bei schweren Provokationen zum Eingreifen zu ermächtigen und gegen Medien vorzugehen, die Haß säen.

Die Sorge der Muslime scheint berechtigt, denn offenbar haben die Unruhestifter den Segen höchster Kreise in Colombo. So erschien kürzlich bei der Einweihung einer Ausbildungsstätte der »Buddhistischen Streitmacht« Verteidigungsminister Gotabhaya ­Rajapakse, ein Bruder des Staatsoberhauptes, als Ehrengast.

Am 8. März war auf der 22. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf von den USA eine Resolution eingebracht und später von der Mehrheit der Teilnehmerländer gebilligt worden. Im Kern ging es darin um eine unabhängige und glaubwürdige Untersuchung der Vorwürfe von schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, die von Soldaten in der letzten Phase des Bürgerkrieges von Januar bis Mai 2009 begangen worden sein sollen. Colombo wies die Resolution zurück und bezeichnete diese als »unfair, parteiisch und ungerecht«. Diese »Einmischung politischer Natur« gefährde den laufenden Aussöhnungsprozeß in Sri Lanka. Mit der antimuslimischen Kampagne erscheint dieser Prozeß indes tatsächlich gefährdet.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 28. März 2013


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