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Tamilen debattieren Neuanfang

Befreiungstiger wollen "transnationale Regierung" in Sri Lanka etablieren

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse kehrte Anfang dieser Woche von einem Staatsbesuch in Myanmar zurück. Es war Rajapakses erste Reise ins Ausland nach dem Sieg über die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). Offiziell sollte mit der Visite der 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern gewürdigt werden, die auch in der Regionalorganisation BIMSTEC zusammenarbeiten. Präsident Rajapakse nutzte den Aufenthalt in Myanmar erneut dafür, öffentlich zu behaupten, er werde eine »gerechte Gesellschaft schaffen, in der jeder Bürger in Einheit, Harmonie und Würde in Übereinstimmung mit buddhistischen Werten leben könnte«. Der hinduistischen und der moslemischen Minderheit in Sri Lanka wird diese Versicherung in den Ohren geklungen haben, denn sie wünschen, daß ihre eigenen religiösen Werte akzeptiert und respektiert werden. Die »gemeinsame religiöse Basis« des Buddhismus wurde bei dem Staatsbesuch wiederholt beschworen.

Der tamilischen Minderheit, die überwiegend hinduistisch geprägt ist, kann diese Überbetonung des Buddhismus, der Staatsreligion in Sri Lanka ist, nur Wasser auf die Mühlen gewesen sein, den Traum von einem eigenen Staat auch nach der militärischen Niederlage der LTTE nicht aufzugeben. Unter den rund eine Million im Ausland lebenden Tamilen, der Diaspora, ist eine Debatte über die Bildung einer »transnationalen Regierung« in Gang gekommen. Die Website Tamilnet.com lieferte den Anstoß dazu. Deren in der Diaspora bestehende internationale Infrastruktur zerfiel auch nicht, nachdem über 30 Länder die LTTE zur Terrororganisation deklariert hatten. Diese Infrastruktur hatte wesentlich zur Finanzierung der LTTE beigetragen und wirtschaftliche, humanitäre und kulturelle Institutionen ermöglicht.

Sie sollte laut Tamilnet genutzt werden, »eine demokratische transnationale Regierung der Eelam-Tamilen in deren Heimatland« zu etablieren. Ziel blieben »Unabhängigkeit und Souveränität der Eelam-Tamilen«. Eine solche Regierung sei beispiellos. Sie sei keine Exilregierung, da diese ein Gastland brauche. Eine transnationale Regierung müsse von der Basis, von der Graswurzelebene aufgebaut werden. Dazu gehörten Wahlen auf lokaler und internationaler Ebene, die Einbeziehung tamilischer Gruppen, die bislang nicht mit der LTTE zusammenarbeiteten, eine konstitutionelle Versammlung und die Wahl einer Exekutive.

Die Debatte um eine transnationale Regierung belegt, daß die LTTE nicht ausgelöscht wurde, obwohl sie militärisch zerschlagen wurde. Die Bemühungen richten sich nun auf einen möglichst breiten politischen Konsens unter der Diaspora und unter den einheimischen Tamilen, die zu Hunderttausenden noch in Internierungslagern hausen, die »tamilische Sache« am Leben zu erhalten.

* Aus: junge Welt, 18. Juni 2009


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