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Notstand verlängert

Sri Lankas Premier malt Gespenst der Wiederauferstehung der Rebellen an die Wand. Schwere Vorwürfe der Opposition gegen die Regierung

Von Hilmar König *

Sri Lankas Regierung hat am Donnerstag den aus dem Bürgerkrieg mit den tamilischen Rebellen (Befreiungstiger von Tamil Eelam; LTTE) stammenden Notstand um sechs Monate verlängert. Premierminister D.M. Jayaratne verwies zu dessen Rechtfertigung auf angebliche Geheimdiensterkenntnisse über die Existenz von drei Ausbildungslagern auf indischem Gebiet. In denen würden sich LTTE-Reste neu formieren. Diese geheimen Camps befänden sich im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Ziel sei, den bewaffneten Kampf zur Bildung eines tamilischen Separatstaates wiederaufzunehmen. Zunächst seien kleine, sporadische, isolierte Attacken geplant. In einem der Lager würden exklusiv Anleitungen zur Ermordung politischer Persönlichkeiten (VIP) vermittelt.

Vor dem Hintergrund dieses von ihm gezeichneten Horrorszenariums rief der Regierungschef die Nation zur Wachsamkeit auf. Die Bürger müßten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Jayaratne begründete damit die erneute Verlängerung der Notstandsgesetze um weitere sechs Monate. Die Bevölkerung Sri Lankas hatte eine Rückkehr zur Normalität erwartet, nachdem die Streitkräfte die Tamiltiger im Mai 2009 militärisch vernichtet hatten. Seitdem gab es in dem Inselstaat keine Angriffe oder Selbstmordaktionen mehr. Zehntausende Kader und Sympathisanten der LTTE verschwanden in von der Außenwelt abgeriegelten Notlagern. Vehement bemühten sich die singhalesischen Behörden, die Lagerinsassen »umzuerziehen«.

Die Opposition wirft der Regierung in Colombo und besonders Staatspräsident Mahinda Rajapakse vor, den Notstand zu mißbrauchen, um jede abweichende Meinung in der politischen Landschaft und in den Medien abzuwürgen. Deshalb stimmten die Vereinte Nationalpartei (UNP), die Nationale Allianz und die Tamilische Nationale Allianz auch gegen die Verlängerung des Notstandes. Doch es blieb eine Mehrheit von 75 Stimmen dafür.

UNP-Chef Ranil Wickremasinghe äußerte in der Debatte im Parlament Zweifel an den Geheimdiensterkenntnissen und den Darlegungen des Premiers. Er fragte, ob dieses brisante Thema mit der indischen Führung beraten worden sei. Die Regierung blieb darauf eine Antwort schuldig. Aber Indiens Hochkommissar in Colombo meldete sich umgehend zu Wort. Er wies die Ausführungen Jayaratnes als aus der Luft gegriffen zurück. Und Tamilnet, das noch immer existierende mediale Sprachrohr der LTTE, erwähnte sie bislang nicht einmal.

* Aus: junge Welt, 12. März 2011


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