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Parlament suspendiert

Sri Lankas Präsident setzt vor Wahlen in der Ostprovinz seine eigenen Auffassungen von Demokratie durch

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse hat am Dienstag, kurz vor den am Sonnabend stattfindenden Wahlen in der Ostprovinz, ohne jede Begründung das Parlament bis zum 5. Juni suspendiert. Die Opposition vermutet, es handele sich um eine »prophylaktische« Maßnahme, mit der er von vornherein Kritik in der Volksvertretung an eventuellen Unregelmäßigkeiten, Manövern oder Betrug bei den Provinzwahlen am 10. Mai unmöglich machen will.

In einer vom staatlichen Fernsehen Rupavahini gesendeten Botschaft versprach Rajapakse den Bewohnern des Ostens, sie würden »alles bekommen, was sie verlangen«. Ihr Wohlergehen liege ihm am Herzen. Tatsächlich will er mit der Wahl demonstrieren, daß die Organisation der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) den Einfluß auf die Ostprovinz eingebüßt hat. Zugleich will er beweisen, daß die für einen Separatstaat kämpfenden Rebellen erst mit militärischer Gewalt vertrieben werden müssen, ehe Frieden, Ordnung und Entwicklung Einzug halten können. So rechtfertigt er auch die anhaltende massive Offensive von Armee und Luftwaffe gegen die LTTE-Gebiete auf der Jaffna-Halbinsel. »Die Regierung wird niemals die Schritte rückgängig machen, mit denen sie den Norden von den Stiefeln der LTTE befreit. Mit dem ständigen Vormarsch der Streitkräfte an der Kriegsfront haben die Menschen im Norden begonnen, sich am Geschmack der Freiheit zu erfreuen«, behauptete er auf einer Konferenz in Colombo.

Und schließlich glaubt Mahinda Rajapakse, der internationalen Öffentlichkeit mit dem Urnengang ein Stück Normalität vorgaukeln zu können. Doch Tausende durch die Kämpfe im vorigen Jahr aus ihrer Heimat Vertriebene konnten noch immer nicht in ihre Dörfer im Osten zurückkehren. Zudem sorgt der Krieg im Norden für einen nicht abreißenden Flüchtlingsstrom.

Die überraschenden »Parlamentsferien« bedeuten, daß alle Komitees der Volksvertretung aufgelöst sind und alle ihr vorliegenden Gesetzentwürfe die Gültigkeit verlieren. Der Präsident kann sich nun voll auf die Provinzwahlen in den drei östlichen Distrikten Batticaloa, Trincomalee und Ampara konzentrieren. Die Provinz war im Sommer vorigen Jahres nach schweren Gefechten mit den Befreiungstigern unter die Kontrolle der Regierung gekommen. In Batticaloa hatte Rajapakse bereits im März eine Lokalwahl als Test durchführen lassen. Dort setzte sich die bis heute bewaffnete Tamil Makkal Vidutalai Pulikal (TMVP) durch. Sie rekrutiert sich aus Gefolgsleuten des einstigen LTTE-Oberst Karuna, der 2004 die Seiten wechselte, von den Streitkräften unterstützt wird und mit der regierenden »Vereinten Freiheitsallianz des Volkes« kollaboriert. Auch zu den Wahlen am Sonnabend treten beide in einem Bündnis an.

Während die anderen großen Parteien die Lokalwahl am 10. März in Batticaloa boykottiert hatten, wollen sie jetzt dem TMVP-Rajapakse-Pakt das Feld nicht kampflos überlassen. Die Vereinte Nationalpartei (UNP) hat mit dem Muslimkongreß eine Wahlallianz gebildet. Auch die singhalesisch-chauvinistische Volksbefreiungsfront JVP und die tamilischen Parteien TULF, EPDP und PLOTE bewerben sich um die 35 Sitze im Provinzrat an. UNP-Chef und Expremier Ranil Wickremasinghe versicherte auf einem Wahlmeeting, gemeinsam mit dem Muslimkongreß werde seine Partei die Absicht der Rajapakse-Familie durchkreuzen, den Osten zu beherrschen. Seine Allianz werde nach einem Wahlerfolg in der Ostprovinz dafür sorgen, daß die Menschen in Frieden leben können, demokratische Verhältnisse einziehen und dem Treiben der paramilitärischen TMVP-Gruppen ein Ende bereitet wird.

* Aus: junge Welt, 9. Mai 2008


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