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Todesschwadronen bedrohen Tamilen

Mordserie auf der Jaffna-Halbinsel verunsichert die Bevölkerung

Von Hilmar König *

Rund die Hälfte der früheren Kämpfer der Organisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) sind laut offiziellen Angaben aus den Internierungslagern entlassen worden. Brigadier Susantha Ranasin­ghe, Generalkommissar für Rehabilitierung, erklärte dieser Tage, 5586 von 11696 LTTE-Mitgliedern hätten »erfolgreich ihre umfassende Rehabilitierung absolviert und die Straflager verlassen«. Ziel der Umerziehung sei die Transformation zu »produktiven Bürgern«. Nach der Zerschlagung der LTTE im Mai 2009 waren 24 solcher von der Armee kontrollierten Lager eingerichtet worden, von denen jetzt noch neun existieren. Wie die Internetseite TamilNet schrieb, werden die entlassenen Kader jedoch systematisch und regelmäßig vom Militär schikaniert. Sie müssen sich täglich in den sogenannten Bürgerbüros der Armee melden und registrieren lassen. Das behindert ihre Eingliederung in die Gesellschaft erheblich.

Zugleich breitet sich unter der tamilischen Minderheit besonders in der Nord- und der Ostprovinz Verunsicherung aus. Den Grund dafür liefert eine Serie von Morden auf der Jaffna-Halbinsel, die offensichtlich von Todesschwadronen verübt werden. In den letzten zwei Wochen fielen den Killern fünf Menschen zum Opfer, meist kritische Bürgeraktivisten. Deshalb gab es am Dienstag in Jaffna ein Treffen zwischen dem Chefrichter des Distrikts und hohen Polizeibeamten, auf dem die eskalierenden Morde, Entführungen und Raubüberfälle diskutiert wurden.

Am Vortag hatte die Regierungsagentin Imelda Sugumar angesichts der ernsten Lage der Polizei Korruption und Handlungsunfähigkeit vorgeworfen. Sie verlangte, Soldaten für Polizeiaufgaben heranzuziehen. Aber damit ist die Mehrzahl der Einwohner Jaffnas nicht einverstanden. Viele wollen nicht, daß der Bock zum Gärtner gemacht wird, denn sie vermuten, das Militär kollaboriere mit den Todesschwadronen, um jeden zivilen Widerstand gegen das Besatzerregime im Keim zu ersticken. Die Nichtregierungsorganisation »Networking for Rights Sri Lanka« verlangte in einer von der Asiatischen Menschenrechtskommission verbreiteten Erklärung von Colombo sofortige Maßnahmen zur Entspannung sowie zur Sicherheit der Menschen im Norden und Osten. Sie fragte, ob das Schüren einer Angstpsychose Teil der Regierungsstrategie geworden ist, die tamilische Bevölkerung unter strenger politischer Kontrolle zu halten.

Tamilen sehen sich laut Sri Lanka Guardian auch bei der Ein-und Ausreise auf dem Flughafen von Colombo im Visier der Sicherheitskräfte. Sie werden ausgesondert und von Beamten des Terrorism Investigation Department oft stundenlang verhört oder gar vom Airport an unbekannte Orte zur »Befragung« verschleppt.

Trotz der unverkennbaren Diskriminierung und der anhaltenden Kritik von Menschenrechtsorganisationen an der Politik von Präsident Mahinda Rajapakse besonders hinsichtlich des Hinauszögerns einer politischen Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit scheint sich Sri Lankas Image allmählich zu verbessern. Der Tourismus boomt und das Auslandskapital investiert wieder. Die Zentralbank in Colombo prognostiziert für 2011 ein Wirtschaftswachstum von 8,5 Prozent. In den Kriegsjahren von 1983 bis 2009 stieg es nie über 3,5 Prozent.

* Aus: junge Welt, 7. Januar 2011


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