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Durchbruch bei Dialog?

Unangebrachte Euphorie nach Treffen zwischen Sri Lankas Regierung und Tamilrebellen

Von Hilmar König, Neu-Delhi

Beide Parteien demonstrierten eine positive, pragmatische und versöhnliche Haltung.« So hieß es am Sonntag (03.11.2002) in der Erklärung zum Abschluß des zweiten offiziellen Treffens von Vertretern der Regierung Sri Lankas und der Rebellenorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). Diese Einschätzung der bei Bangkok abgehaltenen Gespräche nährte eine kaum begründete Friedenseuphorie.

LTTE-Chefunterhändler Anton Balasingham war aus seinem britischen Exil erstmals mit einer Passagiermaschine von London nach Colombo gereist und von dort mit einem Armeehubschrauber ins Rebellengebiet. Dies signalisierte ein neues Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Kriegsparteien, die sich seit Februar im wesentlichen an die vereinbarte Waffenruhe halten. Das erste Treffen im September war relativ reibungslos verlaufen und hatte sogar einen sensationellen Akzent erhalten, als die Tamiltiger andeuteten, eventuell auf ihre Maximalforderung, einen Separatstaat, zu verzichten und sich mit »substantieller Autonomie« zu begnügen.

Das berührte die politischen Kernfragen, die eigentlich erst in der dritten Phase des Friedensdialogs Ende nächsten Jahres debattiert werden sollten. Genau an dieser Stelle knüpfte nun das Treffen in Nakhon Pathom an: Beide Seiten vereinbarten, grundlegende politische Probleme bereits bei den nächsten Begegnungen zu erörtern. Vor allem geht es dabei um die künftigen Machtstrukturen in den von den Tamilen besiedelten Gebieten. Mehr ist noch nicht geschehen. Es handelt sich lediglich um eine, allerdings inhaltsträchtige Absichtserklärung. Eine Entscheidung über diese Schlüsselfragen ist jedoch noch nicht gefallen. Ohnehin bedarf diese der Absegnung durch das srilankische Parlament und schließlich auch der Änderung der Verfassung. Erst dann wird sich zeigen, ob die Regierung von Premier Ranil Wickremasinghe genügend Rückhalt hat und sich die »Friedensengel« gegen singhalesisch-buddhistische Hardliner und gegen das oppositionelle Lager um Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga durchsetzen können. Deshalb scheint die von internationalen Medien hochgespielte Begeisterung fehl am Platze.

Freilich trugen der Leiter der Regierungsdelegation, Minister G.L. Peiris, und Balasingham mit ihren Kommentaren zu überschwenglichen Erwartungen bei. Peiris schätzte ein, die jüngsten Gespräche hätten »viel, viel mehr gebracht als erwartet«. Balasingham sprach von einem »bemerkenswerten Fortschritt«. Auf einer Pressekonferenz fügte er an: »Das ultimative Ziel der Befreiungstiger von Tamil Eelam ist, sich dem politischen Hauptstrom anzuschließen.« Politischen Gruppen im Norden und Osten des Landes, die bislang von der LTTE rigoros bekämpft wurden, sollten künftig integriert werden, versicherte der Politiker.

Regierung und LTTE zeigten sich außerdem zufrieden mit der Bildung von zwei Komitees. Eines wird sich mit der Rückkehr von rund 1,5 Millionen Geflüchteten und Vertriebenen befassen. Dazu sind umfangreiche Minenräumarbeiten in den von der Armee kontrollierten sogenannten Sicherheitszonen notwendig. Das andere Komitee behandelt humanitäre Probleme.

Daß sich Regierung und LTTE auch auf die Modalitäten für die dringend erforderliche Auslandshilfe geeinigt haben, hat unmittelbare praktische Bedeutung. Laut Peiris hat man dafür eine transparente Struktur ausgearbeitet, die Verantwortlichkeiten fixiert und von den Geberländern akzeptiert wird. Sie soll einen geeigneten Rahmen für das erste Treffen von Geberländern am 25. November in Oslo abgeben. Ebenfalls in der Hauptstadt Norwegens, das seit mehr als zwei Jahren als Vermittler in dem ethnisch-sozialen Konflikt fungiert, wird die dritte Runde des Friedensdialogs Anfang Dezember stattfinden.

Aus: junge Welt, 7. November 2002


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