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Aus gleichem Holz

Präsidentenwahl in Sri Lanka: Staatschef und Exgeneral im Clinch

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Für die Präsidentenwahl in Sri Lanka, die am Dienstag über die politische Bühne geht, stehen 22 Kandidaten am Start. Doch nur zwei der Bewerber haben Aussichten auf den Sieg: der noch amtierende Staatschef Mahinda Rajapakse und sein ehemaliger Armeechef General a.D. Sa­rath Fonseka. Eigentlich sind sie aus dem gleichen Holz geschnitzt und politisch keine Gegner, kommen sie doch beide aus dem Lager der singhalesischen Hardliner. Sie sind gleichermaßen verantwortlich für die Zerschlagung der Organisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), der eine als Auftraggeber, der andere als Ausführender. Im Mai vorigen Jahres vernichteten sie die LTTE militärisch. Beide hatten den noch aus der britischen Kolonialzeit stammenden und 1983 offen ausgebrochenen Konflikt zwischen der ethnischen Minderheit der Tamilen und der Mehrheit der Singhalesen als »Terrorismus-Problem« bewertet und behandelt. Für sie gab es nur ein Ziel - die Tamiltiger, die für einen Separatstaat kämpften, auszulöschen. Das gelang militärisch. Aber die LTTE als Organisation besteht in der über die ganze Welt verstreuten Tamilen-Diaspora fort. Am Samstag und Sonntag hielt sie in der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland ein Referendum über die Bildung eines unabhängigen souveränen Staates »Tamil Eelam« auf srilankischem Gebiet ab. Am 30. und 31. Januar folgt ein solcher Volksentscheid auch in Großbritannien.

Daß sich Rajapakse und Fonseka nun als Kontrahenten gegenüberstehen, ist ein überraschendes Kriegsresultat. Beide beanspruchten den Sieg über die LTTE für sich, ließen sich als »War Heroes« feiern, wollten den Ruhm nicht teilen. Am längeren Hebel saß natürlich der Präsident, der den General eiskalt ausbootete und auf einen Posten ohne nennenswerten Einfluß abschob, ohne mit dessen energischem Widerstand zu rechnen. Fonseka zog die Uniform aus und ließ sich als durchaus nicht zimperlicher Gegenkandidat aufstellen. Ihn unterstützen die oppositionelle Hauptpartei United National Party, die singhalesisch-chauvinistische Volksbefreiungsfront (JVP) und sogar Teile der Tamil National Allianz, die einst als »Trojanisches Pferd« der LTTE im Parlament fungierte.

Ob das für einen Sieg gegen Rajapakse reicht, kann momentan niemand prophezeien, denn der Präsident, der eine zweite Amtszeit anstrebt, verfügt über fast alle Machtmittel. Besonders skrupellos mißbraucht er die staatlichen Medien für seine Wahlkampagne. Er setzt sich derart unverschämt über die Richtlinien der Wahlkommission hinweg, daß deren Vorsitzender bereits mit Rücktritt drohte. Die Asiatische Menschenrechtskommission, die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen, das Zentrum für Poli­tikalternativen in Colombo und andere Menschenrechtsgruppen befürchten deshalb, daß es weder eine freie, noch faire Präsidentenwahl geben wird. Anlaß zu solcher Besorgnis gibt zudem die Gewalt, die den Wahlkampf begleitete. Das war umso erstaunlicher, da Colombo in der Vergangenheit stets die tamilischen Befreiungstiger für Gewalt­eruptionen verantwortlich machte. Jedenfalls gab es bislang in der Wahlkampagne fünf Tote und Dutzende Verletzte nach Schießereien und Überfällen.

Zugleich lieferten sich Rajapakse und Fonseka auch persönlich eine propagandistische Schlammschlacht, in der die wahren Probleme außen vor blieben, beispielsweise der enorme Preisanstieg für Nahrungsmittel wie Reis und Zucker, die mit dem »Kampf gegen den Terrorismus« begründeten Einschränkungen der Bürgerrechte, der nach wie vor schwelende ethnisch-soziale Konflikt und der immer deutlicher ausgeprägte autoritäre Regierungsstil.

Beide Hauptkandidaten erkannten, daß die tamilische Minderheit - rund 12,5 Prozent der Bevölkerung - zum Zünglein an der Waage werden könnte, wenn sie sich für ein Votum entscheiden sollte. Deshalb wurden ihr die meisten Versprechungen gemacht. Der Präsident will den Wiederaufbau im ehemaligen Kriegsgebiet und die soziale Rehabilitation der zurückgekehrten Inlandsvertriebenen voranbringen lassen. Der Exgeneral hingegen will den seit 2005 bestehenden Ausnahmezustand schnell beenden, alle Internierten, gegen die keine Beweise vorliegen, auf freien Fuß setzen und eine Generalamnestie für alle, die am Krieg beteiligt waren, erlassen. Ob das die Tamilen zur Wahlteilnahme bewegt, bleibt abzuwarten. Das Votum der Singhalesen, so glauben Beobachter, wird sich auf die beiden Hauptkandidaten verteilen.

* Aus: junge Welt, 25. Januar 2010


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