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Vorwürfe, Drohungen, Haßtiraden

Politisches Klima in Sri Lanka vor Regionalwahlen aufgeheizt. Konflikte selbst in Regierungsallianz

Von Thomas Berger *

In Sri Lanka hat die heiße Phase der Vorbereitungen für die Regionalwahlen im Süden und Westen der Inselrepublik begonnen. Am 29. März wird dort über die Zusammensetzung der Provinzvertretungen abgestimmt. Die Opposition wirft dem Regierungsbündnis UPFA unter Führung der Sri Lanka Freiheitspartei (SLFP) von Präsident Mahinda Rajapaksa unter anderem den Mißbrauch staatlicher Medien im Wahlkampf vor. Auf der anderen Seite attackieren radikale Kreise des regierenden Lagers Kontrahenten als »Landesverräter«. Selbst innerhalb der Allianz zeichnen sich Konfliktlinien ab.

Justizminister Rauff Hakeem vom Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) betonte zuletzt mehrfach, er sehe keinen Grund, der UPFA den Rücken zu kehren. Schließlich habe man dem Präsidenten »den Weg für die Kandidatur zu einer dritten Amtszeit geebnet«. Der Vorsitzende der wichtigsten Partei der islamischen Minderheit hat sich allerdings auch wiederholt kritisch zu Übergriffen auf Angehörige seiner Volksgruppe geäußert. Das kommt bei anderen Kabinettsmitgliedern nicht gut an. Hakeem solle aufpassen, daß er nicht »Prabhakarans Schicksal teilt«, drohte Ministerkollege Mervyn Silva. Velupillai Prabhakaran, der Chef der separatistischen Rebellenbewegung Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), war im Mai 2009 in der Endphase des Bürgerkriegs bei einer Militäroffensive im Norden der Insel mit nahezu der kompletten LTTE-Führung getötet worden.

Wer in Sri Lanka die fortgesetzten Angriffe auf die ethnisch-religiöse Harmonie kritisiert, muß sich nicht selten als »Vaterlandsverräter« beschimpfen lassen. Im Blickfeld radikaler Kreise steht dabei auch Expräsidentin Chandrika Kumaratunga, die Amtsvorgängerin des heutigen Staatschefs Rajapaksa. Weil sie laut einer Studie ihrer Stiftung das friedliche Miteinander der buddhistischen Mehrheitsgesellschaft mit Minderheiten wie den meist hinduistischen oder christlichen Tamilen und Muslimen gefährdet sieht, steht sie insbesondere im Visier von Bodo Bala Sena (BBS), einer extremistischen Buddhistenvereinigung. Daß sie sich über das gesellschaftliche Klima auch mit führenden Oppositionellen ausgetauscht hat, nehmen ihr selbst in ihrer eigenen SLFP viele übel.

Ein Parlamentsabgeordneter der größten Oppositionskraft Vereinigte Nationalpartei (UNP) hat derweil beim Chef der Wahlbehörde Beschwerde dagegen eingelegt, daß die Regierung staatliche wie private Fernsehkanäle in der Wahlkampfzeit exzessiv nutze, um die eigene Politik und angebliche Fortschritte zu präsentieren. Vorwürfe zu Übergriffen und unlauteren Methoden der UPFA-Kandidaten kommt auch von weiteren Oppositionsparteien. Zumindest die Briefwahl für 112000 Staatsbedienstete ging am Donnerstag aber bereits störungsfrei über die Bühne.

Mahinda Rajapaksa, der sich Ende dieses Jahres selbst einer Wiederwahl stellen muß, glaubt derweil wegen Vorwürfen zu Menschenrechtsverletzungen im Land an eine internationale Verschwörung. Navi Pillay, die zuständige UN-Kommissarin, hatte die Insel besucht und in ihrem Bericht vieles von dem unterstrichen, was schon länger an Kritikpunkten im Raum stand. Rajapaksa und seine Regierung sehen darin aber ein Komplott von Resten der LTTE, tamilischer Diaspora und westlichen Nichtregierungsorganisationen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 15. März 2014


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